9. August 2017
Allergie gegen „Mückenstiche“ – gibt es das?

Warmes Regenwetter bietet ideale Brutbedingungen für Stechmücken. Für die meisten Menschen sind die Stiche der Insekten zwar lästig, aber harmlos. Manchmal bilden sich jedoch großflächige Quaddeln an der Einstichstelle. Können solche Reaktionen Anzeichen einer Allergie sein? ECARF hat mit Marcus Maurer, Professor für dermatologische Allergologie an der Charité Berlin, über diese Frage gesprochen.

Ein Sirren ist zu hören. Das Mückenweibchen landet, sticht ihren Rüssel in die Haut und saugt Blut. Nur mit dieser Blutmahlzeit kann sie neue Eier bilden. Dass sich die menschliche Haut dabei entzündet, „juckt“ die Mücke nicht – den Gestochenen aber umso mehr: Beim Stich geben die Mückenweibchen immer auch etwas Speichel ab. Die darin enthaltenen Proteine (Eiweiße) hemmen die Gerinnung, erweitern die Gefäße und helfen der Mücke, Blut zu saugen. Nebenbei aktivieren die Proteine aber auch sogenannte Mastzellen. Diese Abwehrzellen setzen den Botenstoff Histamin frei, der den lästigen Juckreiz und die Entzündung auslöst.

Prof. Marcus Maurer
Prof. Dr. Marcus Maurer

Laut Marcus Maurer, Professor für dermatologische Allergologie an der Charité Berlin, ist die Reaktion zwar unangenehm, aber auch nützlich, „da der menschliche Körper im Laufe der Evolution gelernt hat, dass es durch Insektenstiche auch zu Infektionen kommen kann. Abwehrzellen am Ort des Angriffs zu haben, ist da durchaus sinnvoll.“

Im Normalfall entstehen nach einem Stich etwa 1 cm große Quaddeln. Manche Menschen entwickeln jedoch ausgedehnte Schwellungen an der Einstichstelle. Oft vermuten die Betroffenen dann, dass sie allergisch auf Mückenstiche reagieren. Kein abwegiger Verdacht, schließlich sind entsprechende Reaktionen nach Bienen- und Wespenstichen bekannt. Aber gibt es das – eine Allergie gegen „Mückenstiche“?

Anaphylaktische Reaktionen sind die Ausnahme

Eine echte Allergie setzt voraus, dass das Immunsystem unter anderem Antikörper (Immunglobulin E) gegen die an sich harmlosen Proteine des Mückenspeichels bildet. Eine solche Reaktion komme nach den Stichen aber selten vor, so Maurer. Zwar fehlten aussagekräftige Studien zur Häufigkeit, doch man wisse: Im Vergleich zu Allergien gegen Bienen- und Wespengift spielten allergische Reaktionen auf Mückenspeichel eine untergeordnete Rolle.

Allerdings ist der Nachweis einer solchen Allergie nicht einfach. Nur wenige Allergene im Mückenspeichel sind bisher identifiziert und für Testpräparate verfügbar. Besteht tatsächlich eine Allergie, kann sie jedoch nicht nur die Haut, sondern den gesamten Organismus belasten: „Dann kann es im Rahmen einer sogenannten anaphylaktischen Reaktion auch zu Übelkeit, Atemnot, Herzrasen bis hin zum Kreislaufstillstand kommen“, erklärt Maurer. „Wir haben einen Patienten, der auf Basis einer Mastozytose und einer Mückenstich-Allergie zweimal einen anaphylaktischen Schock entwickelt hat. Aber das ist die Ausnahme, das sieht man eher an großen Allergiezentren.“ Anmerkung: Mastozytose ist eine seltene Erkrankung, bei der sich im Gewebe zahlreiche Mastzellen ansammeln. Bei den Betroffenen verlaufen anaphylaktische Reaktionen oft schwer.

In den meisten Fällen handelt es sich bei den starken Schwellungen nach Mückenstichen also um Entzündungen, die nicht aufgrund einer Allergie entstehen. Warum manche Menschen so heftig reagieren, ist jedoch unklar. Gerne werden Umweltgifte oder hohe Proteinkonzentrationen im Speichel der Mücke dafür verantwortlich gemacht. Diesen Verdacht will Maurer aufgrund mangelnder Daten aber nicht gelten lassen.

Der Tipp des Allergologen: Nicht kratzen, sondern klatschen

Behandelt werden die teilweise handtellergroßen Entzündungen mit kortisonhaltigen Salben. Sind es viele große Stiche, muss eventuell kurzzeitig ein Antihistaminikum oder Kortison eingenommen werden. Oft ist die Einstichstelle durch Bakterien infiziert, dann helfen Antibiotika. Da vor allem das Aufkratzen der juckenden Haut die bakterielle Infektion begünstigt, sollte man am besten die Finger vom Kratzen lassen. Doch den quälenden Juckreiz zu ignorieren, fällt schwer. Der Allergologe hat einen alternativen Vorschlag: „Besser als die Haut zu kratzen, ist es, auf die juckende Stelle zu klatschen – so machen es beispielsweise die Asiaten. Auch Reiben mit den Fingerkuppen ist möglich. Wobei man sagen muss, dass auch das ein zusätzlicher mechanischen Reiz ist, der eher pro-entzündlich als anti-entzündlich wirkt.“

Von Hausmitteln gegen Juckreiz wie etwa aufgeschnittenen Zwiebeln oder Aloe Vera hält Marcus Maurer wenig, sinnvoller findet er den Einsatz von Kälte oder Wärme. Das Kühlen der juckenden Haut, etwa mit einem Kühlpad, verlangsame bestimmte Entzündungsprozesse und beeinflusse die Weiterleitung des Juckreizes über die Nervenbahnen. Allerdings helfe das Kühlen vor allem während der Anwendung.

Etwas nachhaltiger wirke ein kurzer Hitzereiz. Mit einem batteriebetriebenen Stift wird dabei für wenige Sekunden Wärme von rund 50 °C auf den Stich gebracht (Von selbst erwärmten Löffeln oder Münzen rät Maurer wegen Verbrennungsgefahr ab). Die Hitze könne die Symptome durchaus reduzieren: „Früher hat man gedacht, man zerstört die Speichelinhaltsstoffe – das stimmt wahrscheinlich nicht (…) Wir wissen aber, dass die Nerven in der Haut sehr sensibel auf Überwärmung reagieren, die Reizweiterleitung abschalten und dadurch das Jucksignal im Gehirn nicht mehr vermittelt wird.“

Kühlakku und Heizstift könnten also nützliche Utensilien in diesem Sommer sein. Am besten ist es natürlich, gar nicht erst gestochen zu werden. Bewährte Maßnahmen zur Mückenabwehr sind: Lange, dichte, helle Kleidung und Moskitonetze. Wer zusätzlich noch Mückenschutzmittel (Repellentien) verwendet, ist hoffentlich auch in einem Mückenjahr wie diesem gut geschützt.