Sojaallergie

Vegetarische und vegane Ernährung liegt im Trend. Wer auf Fleisch verzichtet oder den Konsum einschränken will, greift oft auf Sojaprodukte wie Tofu oder Sojadrinks zurück. Die darin enthaltenen Sojabohnen gehören wie Erbsen und Erdnüsse zur Familie der Hülsenfrüchte und liefern hochwertiges Eiweiß, viele Mineralien und ungesättigte Fettsäuren.

Verbreitung

Selbst wer Sojaprodukte nicht bewusst konsumiert, nimmt die Bestandteile der Bohne oft in „versteckter“ Form zu sich: beispielsweise als Sojaöl in Margarine und Speisefetten oder als das Sojaölprodukt Lecithin (E322) in Süßwaren. Auch Sojaeiweiß wird vielen verarbeiteten Lebensmitteln wie beispielsweise Wurst zugesetzt. Gerade Sojaeiweiß – ob isoliert oder in einem Sojaprodukt – kann aber auch Allergien auslösen. In Europa sind etwa 0,3 Prozent der Menschen von einer Sojaallergie betroffen.

Auslöser

Die wahrscheinlich häufigste Form der Sojaallergie ist die pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie. Bei dieser sogenannten sekundären Nahrungsmittelallergie reagieren die Betroffenen ursprünglich auf die Pollen von Birke, Hasel oder Erle allergisch. Bestimmte Eiweiße in den Baumpollen wie das Birkenpollenallergen Bet v 1 ähneln im Aufbau einem bestimmten Sojaeiweiß (Gly m 4). Zellen, die für die Immunabwehr zuständig sind und überempfindlich auf Pollenallergene reagieren, können daher auch an das Sojaprotein andocken und allergische Beschwerden auslösen.

Übrigens kann eine Sojaallergie nicht nur durch Nahrung sondern auch durch das Einatmen von sojahaltigem Staub verursacht werden. Beschäftigte der Lebensmittelindustrie, die Sojabohnen verladen oder verarbeiten, können große Mengen des Staubes einatmen und allergische Reaktionen an den Atemwegen entwickeln. Im Backgewerbe sind es die Stäube des Sojamehls, die eine solche Inhalationsallergie hervorrufen.

Beschwerden

Eine Sojaallergie kann an verschiedenen Organsystemen leichte aber auch heftige allergische Reaktionen erzeugen: vom sogenannten oralen Allergiesyndrom, bei dem die Schleimhaut im Mund- und Rachenraum wenige Minuten bis Stunden nach der Aufnahme kribbelt oder anschwillt bis hin zum anaphylaktischen Schock mit Atemnot und Kreislaufstillstand. Das Risiko eines anaphylaktischen Schocks scheint zu steigen, wenn Betroffene größere Mengen eines eiweißreichen, gering verarbeiteten Sojaprodukts schnell zu sich nehmen – beispielsweise über Sojagetränke oder Sojaproteinpulver in Shakes.

Auch das Verdauungssystem kann betroffen sein – Bauchschmerzen, Erbrechen oder Durchfall sind die Folge. Schauplatz allergischer Reaktionen ist zudem die Haut – neben Juckreiz, Rötung oder Nesselsucht kann eine Sojaallergie auch NeurodermitisSchübe verstärken oder auslösen. In anderen Fällen sind die Atemwege beteiligt. Die Symptome reichen vom allergischen Schnupfen bis zu asthmatischen Beschwerden.

Sojaallergie im Kindesalter

Wenn ein Mensch nicht indirekt über Pollen, sondern direkt auf ein bestimmtes Nahrungsmittel (an der Darmschleimhaut) immunologisch reagiert, spricht man von einer primären Nahrungsmittelallergie. Diese Form der Sojaallergie ist bei Kleinkindern häufiger als bei Erwachsenen, da die Schutzfunktion ihrer Darmschleimhaut noch eingeschränkt sein kann.

Soja gehört neben Milch- und Hühnereiweiß, Weizen, Erd- und Baumnüssen zu den häufigsten Auslösern einer Nahrungsmittelallergie bei Kindern und Jugendlichen. Bei vielen verschwindet diese Form der Sojaallergie spontan bis zum 10. Lebensjahr, weshalb in regelmäßigen Abständen durch einen Arzt überprüft werden sollte, ob die Allergie weiterhin besteht.

Diagnoseverfahren

Ob eine Sojaallergie vorliegt, klärt der Arzt oder die Ärztin zunächst in einem Gespräch über die Beschwerden und Ernährungsgewohnheiten. Manchen Betroffenen wird geraten, ein Ernährungstagebuch zu führen, in dem sie verzehrte Nahrungsmittel und Symptome notieren. Der Verdacht auf eine Allergie wird mit einem Haut– und/oder Bluttest weiter abgesichert. Diese Tests zeigen eine Allergiebereitschaft für einen bestimmten Stoff an, sie können jedoch keine Allergie beweisen. Deshalb wird im Zweifelsfall ein weiteres Diagnoseverfahren herangezogen: Der Provokationstest. Dafür ernähren sich die Betroffenen einige Zeit allergenfrei. Im Anschluss werden ihnen unter ärztlicher Kontrolle geringe Mengen Sojaprotein verabreicht. So kann überprüft werden, ob Soja tatsächlich allergieauslösend ist oder ob es von der Liste der verdächtigen Stoffe gestrichen werden kann.

Therapie

Die Ursachen einer Sojaallergie lassen sich bisher nicht effektiv behandeln. Daher müssen die Betroffenen versuchen, Sojaallergene zu meiden.

Dabei ist es wichtig zu wissen, dass sich der Allergengehalt von Sojaprodukten je nach Verarbeitungsgrad und Eiweißgehalt unterscheiden kann. So wird das Allergen (Gly m 4), auf das Betroffene mit einer pollenassoziierten Sojaallergie reagieren, in höchster Konzentration in Sojaproteinpulver gefunden. Auch Sojadrinks, Tofu und Sojaflocken enthalten größere Mengen. In Sojasoßen, Miso und in gerösteten Sojabohnen konnte es hingegen nicht nachgewiesen werden, da Fermentieren und Erhitzen das Allergen zerstören.

Eiweißarme oder – freie Sojaöle und deren Produkte, wie zum Beispiel Sojalecithine, werden von Allergikern mit einer pollenassoziierten Sojaallergie oft gut vertragen. Betroffene mit einer primären Sojaallergie reagieren allerdings auch auf eiweißarme und stark verarbeitete Sojaprodukte. Sie sollten Soja deshalb komplett meiden. Nach europäischem Lebensmittelrecht werden alle Lebensmittel, denen Soja zugesetzt ist, gekennzeichnet. Vor Verunreinigungen durch Sojaeiweiß im Herstellungsprozess bietet das allerdings keinen Schutz.

Übrigens können auch Arzneimittel (zum Beispiel das Narkosemittel Propofol) Sojabestandteile enthalten. Deshalb sollten Patienten mit einer nachgewiesenen Sojaallergie ihre behandelnden Ärzte über die Allergie informieren. Die Arbeitsgruppe Allergologie der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie kommt in einer Stellungnahme aber zu dem Schluss, dass der Proteingehalt in Medikamenten mit Sojaölbestandteilen nicht ausreiche, um allergische Reaktionen auszulösen. Allerdings fehlen zur abschließenden Beurteilung noch umfangreichere Studien.

Menschen mit einer schweren Sojaallergie, bei denen bereits kleinste Mengen Sojaeiweiß einen anaphylaktischen Schock auslösen können, müssen ein Notfallset bestehend aus einem Adrenalinautoinjektor, einem Kortikosteroid (flüssig oder in Tablettenform) und einem Antihistaminikum (flüssig oder in Tablettenform) bei sich tragen.

Prof. Dr. med. Dr. h.c. T. Zuberbier
Letzte Änderung: Juli 2016