Urtikaria

Urtikaria ist der Fachbegriff für eine als Nesselsucht bekannte, nicht ansteckende Hauterkrankung.

Definition

Typische Beschwerden bei der Urtikaria sind juckende Quaddeln und/oder intensive, breitflächige Hautschwellungen (Fachbegriff: Angioödeme). Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen einer akuten und einer chronischen Form. Dabei gilt: Wenn die Beschwerden während eines Zeitraums von weniger als sechs Wochen auftreten, spricht man von einer akuten, bei längeren Zeiträumen von einer chronischen Urtikaria.

Verbreitung bei Kindern und Erwachsenen

Urtikaria ist eine häufige Krankheit: Die akute Form tritt im Laufe des Lebens bei bis zu 20 % aller Menschen auf. Grundsätzlich betrifft sie alle Altersgruppen, auch wenn sie besonders oft bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen beobachtet wird. Chronische Formen der Krankheit kommen deutlich seltener vor. Genaue Zahlen für die verschiedenen Formen gibt es nicht. Experten schätzen aber, dass insgesamt etwa 1-1,5 % der Allgemeinbevölkerung unter einer chronischen Urtikaria leiden.

Ursachen und Auslöser

Eine akute Urtikaria kann durch viele verschiedene Faktoren ausgelöst werden, beispielsweise durch:

  • akute virale oder bakterielle Infektionen
  • Medikamente
  • Allergien (zum Beispiel gegen Nahrungsmittel, Bienen- oder Wespengift)

Oft ist der Zusammenhang zwischen dem Auslöser und der Reaktion recht eindeutig. In etwa der Hälfte der Fälle lässt er sich jedoch nicht genauer bestimmen.

Einer chronischen Urtikaria liegt oft eine anhaltende Infektion, zum Beispiel mit dem Magenbakterium Helicobacter pylori, Streptokokken oder Parasiten, zugrunde. Weitere Ursachen können Schilddrüsenerkrankungen, eine Unverträglichkeit von körpereigenen Stoffen (Fachbegriff: Autoimmunität) oder allergieähnliche Unverträglichkeitsreaktionen (Fachbegriff: Pseudoallergie) sein. Außerdem gibt es chronische Formen, die von Kälte, Hitze, Sonne oder anderen Einflüssen ausgelöst werden.

Aber was geschieht bei Urtikaria tatsächlich auf der Zellebene im Körper? Aktivierte Zellen der körpereigenen Abwehr (sogenannte Mastzellen) schütten den Botenstoff Histamin verstärkt aus. Dadurch werden umliegende Blutgefäße weiter und durchlässiger. In verschiedenen Hautschichten sammelt sich Flüssigkeit, was zur Schwellung führt. Außerdem werden Sinnesnerven (Nerven, die sinnliche Reize übermitteln) aktiviert; so entstehen Juckreiz und Rötung. Warum die Mastzellen bei der Krankheit verstärkt Histamin freisetzen, ist nicht vollständig geklärt und kann verschiedene Hintergründe haben.

Beschwerden

Charakteristisch für die Urtikaria sind Quaddeln und Angioödeme. Die beiden Symptome können sowohl zusammen als auch einzeln auftreten. Bei der akuten Form zeigen mehr als die Hälfte der Betroffenen beide Symptome, und auch bei der chronischen Form ist dies bei 40-50 % der Fall.

Während die Quaddeln meist jucken und manchmal brennen, können beim Angioödem neben Juckreiz auch Schmerzen im Vordergrund stehen. Die Quaddeln verschwinden normalerweise schnell (nach 1-24 Stunden) von selbst. Angioödeme bestehen hingegen für bis zu drei Tage.

Die Symptome der akuten Urtikaria treten nur einmal oder mehrfach innerhalb eines begrenzten Zeitraums von bis zu sechs Wochen auf. Bei einem kleinen Teil der Patienten entwickelt sich jedoch eine chronische Urtikaria – per Definition dann, wenn die Beschwerden länger als sechs Wochen anhalten. Die Krankheit kann über mehrere Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte bestehen und zu immer wieder auftretenden Schüben führen. Wie häufig die Beschwerden dabei auftreten, ist von Patient zu Patient unterschiedlich.

Diagnose

Eine akute Urtikaria heilt meist von selbst aus und wird im Normalfall nur symptomatisch behandelt. Der Arzt kann die Diagnose anhand der Patientengeschichte (Fachbegriff: Anamnese) und der körperlichen Untersuchung stellen. Eine weiterführende Diagnostik ist zu diesem Zeitpunkt normalerweise nicht ratsam. Sie kann aber bei kleinen Kindern empfehlenswert sein, wenn eine Reaktion auf Nahrungsmittel wie Milch, Ei oder Erdnüsse naheliegt, um möglicherweise schweren allergischen Reaktionen (Fachbegriff: Anaphylaxie) vorzubeugen.

Wenn die Beschwerden über einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen anhalten (chronische Urtikaria), wird zunächst eine Blutentnahme angeordnet. Anhand der Ergebnisse beurteilt der Arzt das Blutbild und stellt fest, ob Entzündungszeichen vorliegen. Für jeden Patienten muss anschließend individuell über den Sinn und den Umfang einer weiterführenden Diagnostik entschieden werden, z. B. um Infektionen oder Allergien zu erkennen.

Wenn Sie aktiv an der Ursachenforschung Ihrer Krankheit mitwirken möchten, können Sie auf der Webseite des Urtikaria-Netzwerks e.V. einen Urtikaria-Kalender, ein Urtikaria-Tagebuch und einen Urtikaria-Anamnese-Fragebogen herunterladen und in Ruhe vor Ihrem Arzttermin ausfüllen. Diese Informationen helfen Ihrem Arzt, im gemeinsamen Gespräch mögliche Auslöser zu erkennen und einzugrenzen.

Therapie

Die Symptome der akuten Urtikaria können mit bestimmten Antiallergiemedikamenten, den sogenannten Antihistaminika, gelindert werden. Wenn der Auslöser bekannt ist, sollte der Patient diesen (soweit möglich) zukünftig meiden.

Auch bei der chronischen Urtikaria kommen zur Linderung der Beschwerden in erster Linie Antihistaminika zum Einsatz. Patienten, bei denen diese nicht ausreichend wirken, stehen weitere moderne Arzneimittel zur Verfügung. Waren Arzt und Patient bei der Spurensuche erfolgreich, kann der Auslöser zukünftig vermieden bzw. die Ursache behandelt werden. Die Behandlung fällt dabei in Abhängigkeit von der Ursache sehr unterschiedlich aus. Bei einer Arzneimittelunverträglichkeit setzt der Patient z. B. auf ärztliche Empfehlung das Medikament ab oder erhält, wenn nötig, ein anderes Präparat. Bei einer Infektion kann der Arzt z. B. Antibiotika verordnen. Eine Nahrungsmittelallergie oder -unverträglichkeit ist nur selten für die Urtikaria verantwortlich. Deshalb sollte eine Ernährungsumstellung nur auf ärztlichen Rat und nach gesicherter Diagnose erfolgen und außerdem von einer qualifizierten Ernährungsfachkraft begleitet werden.

Doch auch ohne ursächliche Behandlung kann eine chronische Urtikaria spontan von selbst ausheilen.

Leben mit Urtikaria

Tipps bei akuter Urtikaria

  • Meiden Sie, wenn möglich, den vermuteten Auslöser.
  • Wenn Sie die Beschwerden lindern möchten, können Sie nach Rücksprache mit Ihrem Arzt oder Apotheker kurzzeitig Antihistaminika einnehmen.
  • Eine ausführliche Diagnostik und Allergietests sind meist nicht notwendig, wenn die Beschwerden nur während eines begrenzten Zeitraums von weniger als sechs Wochen auftreten. Halten die Beschwerden länger an, ist der Arztbesuch unerlässlich.

Tipps bei chronischer Urtikaria

  • Wenn Ursache oder Auslöser bei Ihnen nicht bekannt sind, können Sie einen Urtikaria-Kalender oder ein Urtikaria-Tagebuch führen. Das hilft Ihnen und Ihrem Arzt bei der gemeinsamen Ursachenforschung.
  • Weitere praktische Ratschläge finden Sie auf der Webseite des Urtikaria-Netzwerks unter Tipps und Tricks.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. T. Zuberbier
Letzte Änderung: März 2017