26. Januar 2017
Berufswahl mit Allergie: Bessere Beratung schützt besser

Rund 30 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren (1) leiden an atopischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, Neurodermitis, Asthma bronchiale und allergischem Kontaktekzem. Jährlich 170.000 von ihnen beginnen eine Berufsausbildung.(1) Obwohl eine auf die Person abgestimmte, risikoabwägende Berufsberatung wichtig wäre, um das Abbrechen der Ausbildung oder das Entstehen einer Berufskrankheit zu vermeiden, werden die atopischen Vorerkrankungen bei der Entscheidung für einen Beruf kaum berücksichtigt.

Nur 10 Prozent nutzen etwa das Arztgespräch.2 Gleichzeitig fehlen für eine optimale Berufsberatung valide repräsentative wissenschaftliche Daten. ECARF fordert daher die Gesundheitspolitik auf, die Durchführung von breit angelegten Langzeitbeobachtungsstudien möglich zu machen, die eine individuelle Risikoabwägung erlauben. In den Studien müssten die Teilnehmer von der Entscheidung für einen Beruf bis in die ersten Jahre der Berufstätigkeit begleitet werden.

Asthma und Hautkrankheiten am häufigsten

Laut einer aktuellen Studie3 sind Asthma und krankhafte Hautveränderungen in den Industrieländern die am meisten verbreiteten Berufskrankheiten. Darunter werden Erkrankungen verstanden, die durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.

Am Arbeitsplatz können Mitarbeiter mit Allergenen (z. B. Mehlstaub) und irritierenden Stoffen (z. B. Konservierungsstoffen) in Kontakt kommen. Gesundheitliche Relevanz hat der Kontakt vor allem für zwei Gruppen: zum einen für diejenigen, die schon vor ihrer Berufstätigkeit eine Allergiebereitschaft (Sensibilisierung) für ein oder mehrere Allergene entwickelt haben, aber bislang keine allergischen Symptome zeigen. Man spricht in diesem Fall von einer „stummen“ Allergie. Zum anderen  hat der intensive Allergenkontakt am Arbeitsplatz besonders für die Menschen Bedeutung, die bereits vor der Berufsausübung an einer Atopie erkrankt sind und Symptome entwickelt haben.

Individuelle, risikoabwägende Beratung

Die ersten Monate der Berufstätigkeit sind entscheidend für die Entstehung der genannten Berufskrankheiten sowie für die Verschlechterung bereits vorhandener Symptome. Eine individuell abgestimmte Berufsberatung mit Berücksichtigung der medizinischen Vorgeschichte für Jugendliche mit Atopie oder atopischer Veranlagung kann dazu beitragen, das Risiko für die Entstehung von beruflichem Asthma, Rhinitis und Handekzem zu senken. Bislang fehlen jedoch zuverlässige Daten aus Langzeitbeobachtungen, die helfen, das individuelle Risiko zuverlässig einzuschätzen.

Bereits vorhandene Studien zeigen, dass die Mehrzahl der Menschen mit stummer Sensibilisierung kein beruflich verursachtes Asthma oder eine beruflich verursachte Rhinitis entwickeln. Es muss Jugendlichen mit atopischer Veranlagung also nicht grundsätzlich von risikobehafteten Berufen abgeraten werden. Die Voraussetzung ist, dass sie über ihr individuelles Risiko informiert sind und sich gegebenenfalls entsprechend schützen können.

Anders verhält es sich mit Betroffenen, die an schwerem Asthma oder einem schweren atopischen Ekzem leiden. Sie sollten – da sind sich die Experten einig – keinen Beruf ergreifen, der das Risiko einer Verschlimmerung ihrer Krankheit erhöht.

Auch Patienten, die bereits mit Symptomen auf ein Allergen reagieren, das bei der Berufstätigkeit nicht zu vermeiden ist, sollten sich für ein anderes Tätigkeitsfeld entscheiden.

Sekundärpräventive Maßnahmen

Betroffene Jugendliche, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, eine beruflich bedingte Atemwegsallergie oder ein atopisches Hautekzem zu entwickeln, sollten in den ersten zwei Jahren der Berufsausübung halbjährlich bis jährlich untersucht werden. So können umgehend sekundärpräventive Maßnahmen ergriffen werden, dazu gehören eine frühzeitig Behandlung oder auch Schutzkleidung.

Jugendorientierte Schulungsprogramme

Durch Schulungen lässt sich die Kenntnis von Jugendlichen über Berufsasthma und Berufsallergien vergrössern. Gute Wirksamkeit zeigt der Einsatz modernern IT-gestützter Lehrmittel wie virtueller Patienten. In der Folge ist ein größerer Teil der Jugendlichen zu Präventionsmaßnahmen für den Hautschutz und die Basistherapie bereit. So kann ein Abbruch der Ausbildung besser verhindert und die Gesundheit erhalten bleiben.2

Quellen:

1 Schmitz R, Thamm M, Ellert U, Kalcklösch M, Schlaud M: Verbreitung häufiger Allergien bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Ergebnisse der  KiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1), Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 2014; 57:771-8.

2 Radon k, Nowak D, Vogelberg C, Rueff F: Career advice for young allergy patients – a systematic review. DtschArztebl Int 2016; 113:519-24.

3 Labrecque M, Malo JL, Alaoui KM, RAbhi K: Medical surveillance programme for diisocyanate exposure. Occup Environ Med 2011; 68:302-7.