Die gemeinnützige Stiftung ECARF warnt davor, die Erkrankung zu verharmlosen. Warum es wichtig ist, sich ärztlich behandeln zu lassen und welche neuen Therapien im Kommen sind, erklärt Prof. Dr. med. Torsten Zuberbier, Sprecher des Allergie-Centrum-Charité in Berlin und Leiter der Stiftung ECARF.
Ein allergischer Schnupfen ist keine Bagatelle: Er beeinträchtigt Schlaf, Konzentrationsfähigkeit und Arbeitsleistung. „Studien haben gezeigt, dass unbehandelte, pollenallergische Schulkinder während der Pollensaison nicht voll leistungsfähig sind und ein 40% erhöhtes Risiko haben, schlechtere Noten zu erhalten (2).“, so Prof. Zuberbier. „Auch bei Erwachsenen führt eine unbehandelte Pollenallergie zu Leistungsabfall und Fehlzeiten.“ Trotzdem würden die Leiden oft nicht ernst genommen und die Betroffenen versuchten, sich mit der Erkrankung zu arrangieren.
Auch die Gesundheitspolitik bagatellisiert das Leiden: Immer mehr Heuschnupfen-Medikamente werden aus der Verschreibungspflicht entlassen. Seit anderthalb Jahren sind etwa einige wichtige Kortison-haltige Nasensprays nicht mehr verschreibungspflichtig. Für die Patienten bedeutet das nicht nur, dass sie die Präparate selbst bezahlen müssen. Sie haben auch weniger Anlass, zum Arzt zu gehen.
„Für eine optimale medizinische Versorgung, ist es aber unerlässlich, dass ein Arzt die Therapie kontinuierlich begleitet. „Aus Studien wissen wir, dass Patienten mit allergischem Schnupfen oft Medikamente in Eigenregie verwenden, deren Kombination gar nicht evidenzbasiert ist, also nicht wissenschaftlich belegt ist“, so Prof. Zuberbier. Zudem könne nur durch Arztbesuche geklärt werden, ob etwa ein „Etagenwechsel“ drohe, d.h. die Entwicklung eines allergischen Schnupfens zum allergischen Asthma. Mit einer spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung) kann das in vielen Fällen verhindert werden. Doch um zu entscheiden, ob eine solche Therapie in Frage kommt, muss der Arzt den Krankheitsverlauf kennen.
Die Entwicklung immer neuer Therapiemöglichkeiten spricht ebenso dafür, sich nicht mit einer vor Jahren gestellten Diagnose durchzuwursteln, sondern „am Ball“ zu bleiben. Seit einiger Zeit besteht die Möglichkeit einer Immuntherapie, bei der die Allergen-Dosis in der Anfangsphase schneller gesteigert wird. Dadurch wird die sogenannte Erhaltungsdosis, die anschließend jeden Monat verabreicht wird, in kürzerer Zeit erreicht. „Momentan werden viele neue Substanzen erforscht, die die Immuntherapie noch verträglicher und kürzer machen sollen.“, erklärt Prof. Zuberbier“.
Bereits im Einsatz sind Allergene, die in ihrer dreidimensionalen Struktur verändert sind (sog. Allergoide). Bei manchen Allergoiden kann die Erhaltungsdosis schon am ersten Behandlungstag erreicht werden. Zudem laufen Studien zu Allergenen, die durch Zugabe eines Hilfsstoffs (sog. Adjuvans) stärker wirken und insgesamt weniger Spritzen erforderlich machen sollen. Auch von der Erforschung rekombinanter Allergene verspricht man sich viel: Sie werden im Gegensatz zu herkömmlichen Allergenen nicht aus natürlichen (Pollen-) Extrakten gewonnen, sondern als einzelne Proteine gentechnisch hergestellt. Dadurch ist das Präparat immer gleich zusammengesetzt und enthält nur Bestandteile, die für die Immuntherapie relevant sind.
Fazit: Heuschnupfen-Betroffene sollten nicht aufgegeben, sondern sich ärztlich behandeln lassen. Die allergologische Forschung ist vielversprechend.
Quellen
1 Economic burden of inadequate management of allergic diseases in the European Union: a GA(2) LEN review, Zuberbier T, Lötvall J, Simoens S, Subramanian SV, Church MK, Allergy. 2014 Oct;69(10):1275-9. doi: 10.1111/all.12470. Epub 2014 Aug 1
2 Walker s et al: seasonal allergic rhinitis is associated with a detrimental effect on examination performance in united Kingdom teenagers: Case-control study. JACI 120 (2007) 381-38
3 Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma (ARIA) 2008 update (in collaboration with the World Health Organization, GA(2)LEN and AllerGen Allergy. 2008 Apr;63 Suppl 86:8-160. doi: 10.1111/j.1398-9995.2007.01620.x.