Bei der Allergieentstehung spielt das Immunsystem eine entscheidende Rolle. Nur wenn der Körper einen bestimmten Stoff als fremd und gefährlich einstuft, bildet er gegen diesen Antikörper, so genannte Immunglobuline. Diesen ersten Schritt nennt man Sensibilisierung. Erst wenn es zum erneuten Kontakt mit der allergieauslösenden Substanz (Allergen) kommt, stürzen sich die jetzt vorhandenen spezifischen Antikörper darauf und lösen die allergischen Beschwerden aus.
Das chemische Element Iod ist ein so kleines und einfach aufgebautes Molekül, dass es vom Immunsystem nicht wahrgenommen wird. Eine Allergie auf reines Iod ist also nicht möglich. Zudem ist der Körper auf Iod angewiesen.
Iod ist kein Fremdkörper
„Für die Produktion von Schilddrüsenhormonen braucht der menschliche Organismus Iod. Eine Iodallergie wäre daher mit dem Leben nicht vereinbar“, erklärt Ingrid Böhm von der Universität Bern (Böhm et al. 2016). Schilddrüsenhormone sorgen dafür, dass Wachstum, Knochenbildung, Gehirnentwicklung und Energiestoffwechsel reibungslos funktionieren.
Da der Mensch Iod nicht selber herstellen kann, müssen wir es in ausreichender Menge mit der Nahrung aufnehmen. Manche Lebensmittel, wie Milchprodukte und Meerestiere, enthalten von Natur aus Iod. Vielen anderen Nahrungsbestandteilen wird Iod zugesetzt. So soll sichergestellt werden, dass die Bevölkerung ausreichend mit Iod versorgt ist.
Allergie gegen Meeresfrüchte
„Eine Allergie auf Fisch, Krusten- oder Weichtiere hängt nicht mit deren hohen Iodgehalt zusammen“, sagt Constance Katelaris der Western Sydney Universität in Australien (Katelaris et al. 2009). Auslöser für die Allergie sind spezielle Eiweiße (Proteine): beim Fisch sind das beispielsweise so genannte Parvalbumine und bei den Krusten- und Weichteiltieren so genannte Tropomyosine.
Diese Proteine enthalten kein Iod. Trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass eine Allergie gegen Meerestiere auf das darin enthaltene Iod zurückzuführen ist. Die Allergiespezialistin Katelaris nennt ein Beispiel: An der Universitätskinderklinik in Florida wurden Eltern befragt, die ihre Kinder wegen Verdacht auf eine Meeresfrüchte-Allergie vorstellten. Neun von zehn Eltern waren überzeugt, dass Iod der Auslöser für die Beschwerden ihres Kindes sein müsste.
Iodhaltige Medizinprodukte
Auch eine Reihe von medizinischen Produkten enthalten Iod. Hierzu zählen Desinfektionsmittel, Röntgenkontrastmittel oder Medikamente gegen Pilzerkrankungen. Werden diese Substanzen eingesetzt, reagieren manche Menschen darauf empfindlich mit Hautrötung und -schwellung, Juckreiz, Atemnot bis hin zu schweren Kreislaufproblemen. Diese unerwünschten Reaktionen werden allergieähnliche Reaktionen genannt, denn: Antikörper, die zum Auslösen einer allergischen Reaktion notwendig sind, spielen dabei keine Rolle.
Der Körper reagiert auf Proteine in der Substanz, die nicht einmal mit dem Iod in Verbindung stehen müssen. Lösen Medikamente eine unerwünschte Wirkung aus, spricht man von einer Überempfindlichkeit (Hypersensitivität) auf die Substanz.
Wer beispielsweise eine Computertomographie (CT) mit Kontrastmittel bekommen soll, wird häufig nach Allergien gefragt. Da die Kontrastmittel Iod enthalten, auch nach einer „Iod-Allergie“. Doch bis heute ist nicht klar, welche Inhaltsstoffe die wahren Auslöser sind und ob diese überhaupt mit dem Iod zusammenhängen.
Weltweit werden jährlich mindestens 100 Millionen CT-Untersuchungen durchgeführt. Überempfindlichkeitsreaktionen treten bei 1-3% der Untersuchungen auf. „Um Patienten vor möglichen Risiken schützen zu können, müssen wir sowohl den Namen des Kontrastmittels dokumentieren, als auch welche Symptome genau aufgetreten sind“, empfiehlt Böhm vom Berner Inselspital (Böhm et al. 2017).
Quellen
- Katelaris CH et al. ‚Iodine allergy‘ label is misleading. Aust Prescr. 2009;32(5):125-8.