Die sekundäre Nahrungsmittelallergie betrifft vor allem ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die eine primäre Allergie gegen Stoffe in der Luft wie Pollen haben (Fachbegriff: Aeroallergene). Dieser Allergietyp wird häufig als pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie oder Kreuzallergie bezeichnet. Auch bei der Latexallergie sind Kreuzreaktionen auf Nahrungsmittel bekannt. Da manche Eiweiße (Fachbegriff: Proteine) in Früchten oder Gemüse den Pollen- bzw. Latexallergenen ähneln, kann es vorkommen, dass die Betroffenen in der Folge auch beim Verzehr der entsprechenden Nahrungsmittel allergisch reagieren.
Verbreitung
Wie häufig Kreuzallergien mit Nahrungsmitteln tatsächlich vorkommen, ist nicht genau bekannt und kann deshalb nur geschätzt werden. Wissenschaftler des Robert-Koch-Instituts gehen aufgrund von ärztlichen Interviews davon aus, dass insgesamt 4,7 % aller Erwachsenen in Deutschland von irgendeiner Form der Nahrungsmittelallergie betroffen sind. Allergologische Fachgesellschaften vermuten, dass bis zu 60 % der Nahrungsmittelallergien bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Kreuzallergien sind, die auf einer primären Überempfindlichkeit (Fachbegriff Sensibilisierung) gegen Aeroallergene beruhen. Wie schwer die primäre Allergie ist und seit wann sie besteht, spielt bei einer Kreuzallergie keine Rolle. Manchmal löst die primäre Allergie selbst kaum oder gar keine Symptome aus; dann nehmen die Betroffenen ausschließlich die Kreuzallergie gegen Nahrungsmittel wahr. Eine Kreuzallergie kann sich auch noch lange nach der primären Allergie entwickeln.
Auslöser
Zu den Auslösern zählen vor allem Pollen, aber auch Hausstaubmilben und Tierhaare. Das Birkenallergen Bet v 1 führt beispielsweise oft zu Kreuzreaktionen mit (Hasel-) Nüssen, Äpfeln und anderem Kern- und Steinobst, Karotten und Soja. Menschen, die auf Beifuß oder Ambrosia reagieren, zeigen dagegen oft allergische Reaktionen auf Sellerie, Gewürze, Gurke, Melone oder auch Banane. Hierbei ist es wichtig zu wissen, dass gekochtes oder gebackenes Obst meist vertragen wird, da das Allergen durch die Hitze zerstört wird.
Biologisch interessant ist der Zusammenhang zwischen der Hausstaubmilbenallergie und der Krebs- und Weichtierallergie: Weil Hausstaubmilben nämlich wie Krebstiere zum Stamm der Gliederfüßer gehören und ebenso Eiweiße einer bestimmten Familie aufweisen, entwickeln manche Hausstaubmilbenallergiker eine Kreuzallergie gegen Hummer, Krebse und Co.
Übersichtstabelle Kreuzallergien
Luftallergene – Nahrungsmittel
Allergie der Atemwege | Nahrungsmittelallergie | |
Häufige Kreuzallergien | Baumpollen (zum Beispiel Birke oder Hasel) | Apfel, Pfirsich, Pflaume, Nektarine, Kiwi, Kirsche, Birne, Mandel, Haselnuss und andere Nüsse, Karotte, Sellerie, Kartoffel (roh), Soja, Litschi |
Ambrosia | Melone, Banane, Tomate, Gurke | |
Beifuß | Möhre, Sellerie, Kümmel, Petersilie, Koriander, Anis, Fenchelsamen, Mango, Weintraube, Litischi, Sonnenblumenkerne | |
Latex | Banane, Avocado, Kartoffel, Tomate, Kiwi, Ananas, Kastanie, Buchweizenmehl, Sellerie, Feige | |
Seltene Kreuzallergien | Hausstaubmilbe | Garnelen, Krabben, Hummer, Shrimps, Schnecken |
Gräser- und Getreidepollen (zum Beispiel Weizen und Roggen) | Dinkel, Gerste, Hafer, Hirse, Mais, Weizen, Roggen (auch daraus gewonnene Mehle und Kleie), Tomate, Hülsenfrüchte | |
Eschenpollen / Olivenpollen | Ananas, Meerretich | |
Gummibaum | Feige | |
Vogelallergene (Federn, Kot) | Ei, Geflügel, Innereien | |
Tierhaare | Kuhmilch, Fleisch und Innereien |
Beschwerden
Meist löst die sekundäre Nahrungsmittelallergie nur leichte, örtlich begrenzte Symptome aus, schwere allergische Reaktionen sind aber prinzipiell möglich – besonders, wenn der Betroffene große Mengen des allergenen Nahrungsmittels zu sich nimmt. Im Normalfall treten die Beschwerden wenige Minuten bis zwei Stunden nach der Nahrungsaufnahme auf und betreffen am häufigsten die Mundschleimhaut oder die Haut, manchmal auch die Atmung. Grundsätzlich können auch Magen-Darm-Beschwerden und Herz-Kreislauf-Symptome auftreten, diese sind aber seltener und kommen meist auch nicht als einzelne Symptome vor.
Bei der am häufigsten vorkommenden Reaktion – dem sogenannten oralen Allergiesyndrom oder auch Kontakturtikaria der Mundschleimhaut – spürt der Betroffene Juckreiz an Lippen, Zunge, Gaumen, Ohren und Rachen. Manchmal schwillt auch die Schleimhaut an oder es zeigen sich Rötungen und kleine Bläschen. Normalerweise lassen diese Symptome schnell wieder nach.
Auch die Haut kann bei Kreuzreaktionen betroffen sein: Sie kann anschwellen, jucken oder sich röten.
Nahrungsmittelallergien durch Kreuzallergien im Kindes- und Erwachsenenalter
Mediziner gehen derzeit davon aus, dass primäre Nahrungsmittelallergien meistens im Kindesalter entstehen, wenn der Verdauungstrakt mit den Allergenen in Kontakt gerät. Kreuzallergien treten dagegen oft erst später im Leben auf. Hier haben die Betroffenen zunächst durch das Einatmen des Allergens eine Allergie gegen Stoffe in der Luft entwickelt und reagieren als Folge darauf auch auf verwandte Eiweiße in Nahrungsmitteln.
Prinzipiell ist es möglich, dass auch Kinder bereits eine sekundäre, pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie entwickeln. Genauso ist nicht auszuschließen, dass Menschen im fortgeschrittenen Erwachsenenalter noch spontan eine primäre Nahrungsmittelallergie entwickeln. Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse dazu gibt es jedoch im Augenblick nicht.
Diagnoseverfahren
Für die Diagnose befragt der Arzt den Patienten zunächst nach dessen Ernährungsgewohnheiten und den damit in Verbindung stehenden Beschwerden (Fachbegriff Anamnese). Wenn der oder die Auslöser unklar sind, kann der Patient auch ein Ernährungs- und Symptomprotokoll führen, das den Arzt bei der Ursachenforschung unterstützt. Der erste Verdacht wird anschließend durch einen sogenannten Haut-Pricktest oder eine Blutuntersuchung weiter überprüft. Nur in seltenen Fällen, in denen die Ursache unklar bleibt und bereits eine schwere Reaktion aufgetreten ist, wird ein sogenannter oraler Provokationstest durchgeführt. Dabei nimmt der Patient stufenweise geringe Mengen des verdächtigen Allergens zu sich und wird dabei beobachtet. Wegen des Risikos für schwere Reaktionen erfolgt dieser Test jedoch nur unter ärztlicher Aufsicht und oftmals stationär im Krankenhaus.
Therapie
Die zuverlässigste Methode, Kreuzreaktionen auf Nahrungsmittel zu vermeiden, besteht darin, das Nahrungsmittel nicht zu essen (Fachbegriff: Allergenkarenz). Bei manchen Betroffenen reicht es sogar aus, das Nahrungsmittel nur in der Pollenzeit zu vermeiden oder es einfach anders zuzubereiten (z. B. gekocht anstatt roh), weil einige Allergene keine hohen Temperaturen überstehen. Die Empfehlung, bestimmte Nahrungsmittel pauschal zu vermeiden, ist ohne gesicherte Diagnose nicht ratsam. Außerdem sollte eine Ernährungsumstellung unbedingt von einer qualifizierten Ernährungsfachkraft begleitet werden, damit keine Mangelerscheinungen auftreten.
Wenn Patienten schwere allergische Reaktionen zeigen, sollten sie Notfallmedikamente mit sich führen. Ein solches Notfallset enthält für den Fall der Fälle einen Adrenalinautoinjektor, ein Kortikosteroid (flüssig oder in Tablettenform) und ein Antihistaminikum (flüssig oder in Tablettenform).
Auch wenn es inzwischen Hinweise gibt, dass sich eine sekundäre Nahrungsmittelallergie mit Hilfe der spezifischen Immuntherapie gegen das primäre Allergen (zum Beispiel Pollen) bessert: Diese Behandlung sollte nur zum Einsatz kommen, wenn die Symptome der primären Allergie im Vordergrund stehen.
Tipps
- In vielen Fällen wird das gekochte Obst oder Gemüse vertragen, da die allergieauslösenden Eiweiße durch Erhitzen zerstört werden. Auch Schälen kann die Verträglichkeit erhöhen.
- Manche Obstsorten werden besser vertragen als andere. Das ist besonders bei Äpfeln der Fall. Eine Übersicht zu besser verträglichen Apfelsorten finden Sie bei beim BUND Lemgo.
- Beachten Sie, dass Stress, Alkoholkonsum oder Medikamenteneinnahme die allergische Reaktion verstärken kann.
- Während der Pollenflugzeit besteht die Möglichkeit, dass pollenassoziierte Lebensmittel schlechter vertragen werden als in Zeiten ohne Pollenflug.
Prof. Dr. med. Dr. h.c. T. Zuberbier
Letzte Änderung: November 2016