Pollenallergie

Noch vor einiger Zeit bezeichneten Ärzte den Heuschnupfen als saisonalen allergischen Schnupfen. Davon ist man inzwischen abgekommen, da viele Menschen auf die Pollen mehrerer Blütenpflanzen reagieren und nicht nur im Frühling oder Sommer sondern fast ganzjährig unter Beschwerden leiden.

Seit Jahren beobachten Forscher, dass sich der Pollenflug um mehrere Tage nach vorne verlagert hat und im Herbst etwas länger andauert. Bei mildem Klima kann es also sein, dass im November die letzten Gräser- oder Kräuterpollen fliegen und im Dezember schon die ersten Haselpollen unterwegs sind. Von einem frühsommerlichem Heuschnupfen (der ursprünglich so genannt wurde, weil man einen Zusammenhang mit Heu und Gras vermutete) kann da keine Rede sein.

Unterschätzt werden auch die Auswirkungen der Pollenallergie (auch: Heuschnupfen, allergischer Schnupfen, Pollinosis). Niesattacken, Fließschnupfen und Augenjucken sind nicht die einzigen Beschwerden, die Betroffene quälen. Viele sind während des Pollenflugs nicht voll leistungsfähig, schlafen schlecht und sind erschöpft. Zudem kommt es bei einigen Allergikern nach Jahren zu einem sogenannten Etagenwechsel (von den oberen zu den unteren Atemwegen): Plötzlich reagieren auch die Bronchien überempfindlich, Asthma bronchiale kann entstehen.

Eine grundlegende Erklärung der Pollenallergie finden Sie auch als Comic.

Verbreitung

Etwa 12 Millionen Menschen leiden in Deutschland an Heuschnupfen (14,8 Prozent). Zu dieser Einschätzung kommen Wissenschaftler des Robert Koch-Instituts durch die Auswertung von ärztlichen Interviews mit rund 8000 Personen.

Bemerkbar macht sich der Heuschnupfen typischerweise vor dem 25. Lebensjahr – meistens bei Kindern zwischen dem 8. und 16. Lebensjahr. Inzwischen entwickeln aber auch immer mehr Menschen jenseits der 50 erstmalig eine Pollenallergie.

Auslöser

Verursacher der Allergie ist der Pollen bzw. der Blütenstaub windbestäubter Pflanzen. Er besteht aus einzelnen Pollenkörnen, die das männliche Erbgut enthalten. Während insektenbestäubte Pflanzen zur Blütezeit weniger Pollen produzieren, müssen windbestäubte Pflanzen viele Pollen freisetzen um die Bestäubung zu sichern. Der leichte Blütenstaub kann einige hundert Kilometer weit fliegen. Je windiger es ist, desto weiter und zahlreicher wird der Pollen verbreitet, bei Regen sinkt er eher zu Boden ab und verursacht weniger Beschwerden (Gewitter kann allerdings verstärkend wirken).

Bei manchen Allergien genügen bereits wenige Pollenkörner, um eine heftige Reaktion auszulösen. So reichen beispielsweise sechs Roggen-Pollenkörner pro Quadratmeter Luft, um bei sensibilisierten Menschen eine allergische Reaktion zu provozieren (Zum Vergleich: eine einzige Roggenähre gibt mehrere Millionen Pollenkörner ab).

Die wesentlichsten allergieauslösenden Pollen stammen von Bäumen, Gräsern und Kräutern.

  • Bäume: Vor allem die Pollen der „Frühblüher“ Birke, Hasel, Erle und Esche wirken allergen. Besonders häufig sind Birkenpollenallergien.
  • Gräser: Bei der Allergie gegen Gräserpollen spielen die sogenannten Süßgräser eine Hauptrolle.
  • Kräuter: Besonders Beifuß und Beifuß-Ambrosie (Traubenkraut, Ragweed) sind stark allergen.

Der Pollen enthält wasserlösliche Proteine (Eiweiße), die bei Kontakt mit den Schleimhäuten freigesetzt werden. Im Falle einer Allergie reagiert das Immunsystem auf die eigentlich harmlosen Proteine mit der Bildung von IgE-Antikörpern. Diese binden an Abwehrzellen des Körpers, sogenannte Mastzellen, die daraufhin entzündungsauslösende Stoffe wie Histamin freisetzen. Das Histamin und die anderen Botenstoffe stimulieren Drüsen zur Abgabe von Sekret, reizen Nerven und verursachen dadurch Juck- und Niesreiz und bewirken eine Gefäßerweiterung, die zur Rötung und Schwellung der Schleimhäute führt.

Birkenpollen als Auslöser einer Pollenallergie

Beschwerden

Die Beschwerden entstehen vor allem dort, wo die Pollen-Allergene direkt auftreffen – an den Schleimhäuten von Nase, Augen und Mund. Dadurch sind folgende Symptome möglich:

  • Nase: Fließschnupfen mit wässrigem Sekret, verstopfte Nase, Nasenjucken, Niesreiz
  • Augen: Bindehautrötung, Juckreiz, Tränen
  • Mund/Rachen: Brennen, Jucken
  • Ohren: juckende Gehörgänge
  • Lunge: trockener Husten (besonders nachts), pfeifende Atmung, Luftnot (Asthma)
  • Haut: Verschlechterung einer Neurodermitis, selten Quaddeln, Rötung
  • Allgemeinsymptome: Müdigkeit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen

Häufig leiden Menschen mit einer Pollenallergie auch unter einer Allergie gegen bestimmte Nahrungsmittel. So können beispielsweise rohe Äpfel oder Haselnüsse bei Birkenpollen-Allergiker ein Jucken im Rachenraum oder Schwellungen im Mundbereich auslösen. Diese sogenannten pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien entstehen, weil die Eiweiße mancher Nahrungsmittel bestimmten Polleneiweißen ähneln. Das bereits sensibilisierte Immunsystem der Heuschnupfen-Betroffenen stuft dann nicht nur die Pollen sondern auch bestimmtes Obst- oder Gemüse, Nüsse oder Gewürze als „gefährlich“ ein und löst eine allergische Reaktion aus. Mehr Informationen zu diesen Kreuzreaktionen auf Nahrungsmittel finden sich unter Allergien gegen Sellerie, Kirsche & Co – Kreuzreaktionen auf Nahrungsmittel.

Diagnoseverfahren

Ob es sich um einen Heuschnupfen handelt, klärt der Arzt oder die Ärztin zunächst in einem Gespräch über die Beschwerden. Dabei wird unter anderem gefragt, an welchen Orten und zu welcher Tages- und Jahreszeit die Symptome auftreten, wie lange sie anhalten und ob allergische Erkrankungen in der Familie vorliegen. Nach einer körperlichen Untersuchung folgen Haut- und/oder Bluttests, um den Verdacht weiter abzusichern. Diese Tests zeigen eine Allergiebereitschaft für bestimmte Pollenallergene an, sie können jedoch keine Allergie beweisen.

In unklaren Fällen kann deshalb ein Provokationstest nötig sein. Dabei werden kleine Mengen des verdächtigen Pollen-Allergens unter ärztlicher Aufsicht auf die Nasenschleimhaut (seltener auf die Bindehaut der Augen) aufgebracht. Anschließend wird gemessen, wie sehr die Nase zuschwillt bzw. ob Niesen oder Tränen auftreten. Leiden Betroffene unter Atembeschwerden, ist ein sogenannter Lungenfunktionstest sinnvoll. Dabei misst der Arzt oder die Ärztin das Luftvolumen, das die Betroffenen ein- und ausatmen sowie die Geschwindigkeit, mit der die Luft ausgeatmet wird. Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf Veränderung an den Atemwegen zu.

Übrigens können auch Hausstaubmilben, Tierhaare oder Schimmelpilze Beschwerden machen, die denen eines Heuschnupfens gleichen. Daher sollten Allergien gegen diese Stoffe ausgeschlossen werden.

Auch ein Schnupfen der durch Bakterien oder Viren verursacht ist, kann zunächst einem Heuschnupfen ähneln. Allerdings: Eine Erkältung klingt nach etwa zehn Tagen ab. Sie geht nicht mit Augenjucken einher, das Sekret kann im Gegensatz zum wässrigen Heuschnupfen-Sekret auch grünlich-gelb und zähflüssig werden. Erhöhte Temperatur oder geschwollen Lymphknoten am Hals sprechen ebenfalls für eine Erkältung.

Therapie

Das Wichtigste bei einer Allergie ist, den Auslöser zu meiden. Bei einem Heuschnupfen ist das nur bedingt möglich, aber es gibt einige Tipps, die dabei helfen können. Darüber hinaus lindern verschiedene Medikamente die Symptome – können die Allergie aber nicht heilen. Hilfreich sind evtl. auch einige nicht-medikamentöse Maßnahmen. Eine Therapiemöglichkeit, die an den Ursachen des Heuschnupfens ansetzt, ist die spezifische Immuntherapie (auch Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung genannt).

Medikamente

Als Mittel der Wahl gelten Kortison-Sprays oder neuere Antihistaminika. Bei eher leichten Symptomen sind Cromone als Augentropfen und Nasensprays einsetzbar. Beschwerden wie gelegentliches Niesen, Augenjucken und Naselaufen können neuere Antihistaminika in Augentropfen, Nasensprays oder auch in Tablettenform lindern. Sind die Symptome ausgeprägter, sind Kortison-Nasen-Sprays Mittel der Wahl (eventuell kombiniert mit neueren Antihistaminika). Bei Augen- und Nasensprays sollten Mittel ohne Konservierungsstoffe vorgezogen werden, da auch Konservierungsmittel allergen wirken können.

Cromone (Cromoglicinsäure):

Die Substanzen verhindern, dass der Botenstoff Histamin aus den Mastzellen ausgeschüttet wird und vermindern dadurch die Entzündung. Allerdings wirken sie nicht sofort und kommen deshalb eher vorbeugend zum Einsatz. Ihre Wirkung (vor allem auf die Nasen-Beschwerden) ist nicht ausgeprägt, sie werden aber meist gut vertragen. Mögliche Nebenwirkungen sind Reizungen der Nasenschleimhaut.

Antihistaminika:

Sie blockieren die Andockstellen des Histamins im Körper und reduzieren so die allergische Reaktion. Die Substanzen wirken relativ schnell (Tabletten innerhalb von einer Stunde, Nasensprays innerhalb von 15 Minuten) und können deshalb bei akuten Beschwerden eingesetzt werden. Antihistaminika der ersten Generation wirken auch im zentralen Nervensystem und können zu Müdigkeit und Benommenheit führen. Die neueren Antihistaminika tun das in geringerem Maße und haben ein günstigeres Nebenwirkungsprofil: Müdigkeit und Kopfschmerzen treten seltener auf als bei den älteren Wirkstoffen.

Glucokortikosteroide (Kortison):

Kortisonhaltige Nasen-Sprays wirken entzündungshemmend und unterdrücken Beschwerden wie eine laufende oder verstopfte Nase. Die Präparate beginnen meist erst nach 12 bis 24 Stunden und zu wirken und entfalten ihre volle Wirksamkeit nach drei bis sieben Tagen. Moderne kortisonhaltige Nasensprays haben keine systemischen Nebenwirkungen, also keine Nebenwirkungen im übrigen Körper. Als unerwünschte Wirkung kann es zu Trockenheit der Nasenschleimhaut, Nasenbluten oder Kopfschmerzen kommen. Allerdings wurde auch das Risiko einer Wachstumsverzögerung bei Kindern und Jugendlichen beschrieben (für den Wirkstoff Beclomethasondipropionat). Obwohl die Wahrscheinlichkeit als gering eingestuft wird, sind bei langfristiger Gabe regelmäßige ärztliche Kontrollen sinnvoll.

Alpha-Sympathomimetika:

Nasensprays oder –tropfen, die diese Wirkstoffe enthalten, verengen die Gefäße der Nasenschleimhaut und haben dadurch einen abschwellenden Effekt. Man sollte sie aber nur beim Schnupfen im Rahmen einer Erkältung anwenden.  Dann auch nur maximal über eine Woche,  da bei längerer Anwendung eine Abhängigkeit mit Ausbildung eines medikamentösen Schnupfens entstehen kann.

Leukotrienantagonisten:

Die Substanzen hemmen die Wirkung von Leukotrienen, also von Botenstoffen, die wie Histamin eine wichtige Rolle bei der (allergischen) Entzündung spielen. Sie werden zur Behandlung von Asthma eingesetzt. Da sie auch bei allergischem Schnupfen wirken (weniger stark als Antihistaminika-Tabletten), kommen sie dann als Mittel zweiter Wahl zum Einsatz, wenn Betroffene sowohl unter Asthma als auch unter Heuschnupfen leiden. Als Nebenwirkungen kann es zu Kopfschmerzen, Magen-Darm-Störungen und Atemwegsinfektionen kommen.

Spezifische Immuntherapie

Eine ursächliche Behandlungsform des Heuschnupfens ist die spezifische Immuntherapie mit Allergenen (SIT). Sie soll das Immunsystem über einen längeren Zeitraum hinweg an die allergieauslösenden Pollen gewöhnen. Es müssen  zunächst die Pollen-Allergene feststehen, die beim Patienten die Beschwerden verursachen. Daraufhin wird ein oder zwei entsprechende(s) Präparat(e) ausgewählt. Das Präparat wird in steigender Dosis einmal wöchentlich in das Unterhautfettgewebe des Oberarms gespritzt (subcutane Immuntherapie, kurz: SCIT). Nach etwa drei Monaten ist die Höchstdosis erreicht, anschließend erfolgt die Spritze nur noch einmal monatlich. Allerdings brauchen die Betroffenen gutes Durchhaltevermögen und Bereitschaft zur Mitarbeit, da die Therapie etwa drei bis fünf Jahre fortgesetzt werden muss. Eine Erfolgsgarantie, dass die Allergie danach „verschwunden“ ist, besteht nicht. Studien zeigen aber, dass eine abgeschlossene SCIT die Beschwerden und den Medikamentenverbrauch längerfristig senken kann. Außerdem mindert die Behandlung das Risiko eines Etagenwechsels, kann also Asthma vorbeugen. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffenen auf weitere, neue Allergene reagieren, sinkt.

Eine Immuntherapie bei Heuschnupfen kommt in Betracht, wenn die Symptome ausgeprägt sind und bereits mehr als zwei Jahre bestehen. Die besten Erfolgsaussichten bestehen bei jungen Patienten, die nicht auf zu viele verschiedene Allergene reagieren.

Neben der SCIT gibt es auch die Möglichkeit die Pollen-Allergene in Tabletten- oder Tropfenform zu sich zu nehmen. Die Präparate werden unter der Zunge gegeben (sublinguale Immuntherapie, kurz SLIT). Entweder werden Tropfen unter die Zunge geträufelt und nach einer gewissen Einwirkungszeit geschluckt. Oder es wird eine spezielle sich selbst auflösenden Tablette unter die Zunge gelegt.  Die Wirksamkeit hat man vor allem bei der Gräserpollenallergie nachgewiesen. Der Vorteil ist, dass die Behandlung täglich zu Hause vorgenommen werden kann, aber auch die SLIT dauert mindestens drei Jahre.

Ob die beiden Behandlungsformen gleich wirksam sind, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Die Ergebnisse vergleichender Studien deuten darauf hin, dass die spezifische Immuntherapie mit Spritzen (SCIT) die Beschwerden etwas besser lindert als die Therapie mit Tabletten oder Tropfen (SCIT). Da SCIT und SLIT aber auf jeden Fall ähnlich effektiv sind, können die Betroffenen gemeinsam mit dem Allergologen oder der Allergologin entscheiden, welche Behandlung passend ist.

Komplementärmedizin

Einige Ärzte setzen Homöopathie oder Akupunktur ein, um Heuschnupfen-Beschwerden zu lindern. Allerdings ergibt sich kein klares Bild hinsichtlich der Wirksamkeit. Bis heute gibt es zu wenig aussagekräftige Studien.

Lüften bei Pollenallergie

Tipps

  • Salzhaltige Nasensprays und tägliche Nasenspülungen helfen, die Beschwerden zu lindern.
  • Das Schlafzimmer sollte möglichst pollenarm gehalten werden, um die Gesamtbelastung zu senken. Beim Schlafen am besten die Fenster geschlossen lassen, und lüften, wenn weniger Pollen fliegen: In der Stadt in der Zeit zwischen 6 und 8 Uhr, auf dem Land zwischen 18 und 24 Uhr. Weil Pollen an Kleidung und Haaren haften, sollten Kleidungsstücke außerhalb des Schlafzimmers abgelegt werden. Es empfiehlt sich, die Haare auszuspülen, wenn man viel im Freien war bzw. das Waschen der Haare auf die Zeit vorm Schlafengehen zu verlegen. Auch die Bettwäsche sollte während des Pollenfluges öfters gewechselt werden. Im Schlafzimmer und anderen Räumen keine (Feld-)Blumensträuße aufstellen: Beifuß/Artemisia Allergiker reagieren manchmal auf andere Korbblütler wie Sonnenblumen oder Goldrute.
  • Die Wäsche während des Pollenflugs nicht draußen zum Trocknen aufhängen. Um eine Nachblüte und Pollenablagerungen zu verhindern, sollte der Rasen im Garten möglichst kurz geschnitten werden (von einer Person, die keine Pollenallergie hat).
  • Beim Autofahren die Fenster geschlossen halten. Mikrofilter in der Lüftungsanlage helfen, Pollen abzuhalten (müssen aber regelmäßig gewechselt werden)
  • Outdoor-Aktivitäten wie Joggen sollten Pollen-Allergiker in der Stadt eher auf morgens vor 8 Uhr verlegen, auf dem Land auf abends nach 18 Uhr. Eine Brille kann die Pollen möglicherweise etwas abhalten. Schwimmen in stark gechlortem Wasser verstärkt die Beschwerden, ebenso wie (Passiv-)Rauchen.
  • Wenn die Möglichkeit besteht, sollte der Urlaub auf die Pollensaison verlegt werden. Für die Reisen bieten sich Regionen an, in denen die entsprechenden Pflanzen noch nicht oder nicht mehr blühen. Auch pollenarme Gegenden sind empfehlenswert: Hochgebirge oberhalb von 2000 Metern und Inseln oder Küstenbereiche mit überwiegendem Seewind.

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Zuberbier
Letzte Änderung: Juli 2016