Wie sich das Risiko für Heuschnupfen, Neurodermitis und allergisches Asthma senken lässt, haben Kinderärzte und Allergologen anhand von Studien ermittelt und die Empfehlungen in einer Leitlinie zusammengestellt. (Werdende) Eltern können also durchaus etwas tun, um ihre Kinder vor Allergien zu schützen. Das gilt besonders für sogenannte Risikokinder bei denen mindestens ein Elternteil oder ein Geschwisterkind bereits an Heuschnupfen, Neurodermitis oder Asthma leidet. Auch Erwachsene können durch entsprechende Lebensführung ihr Allergie-Risiko senken.
Geburtsverfahren
Kinder, die durch Kaiserschnitt auf die Welt kommen, haben offenbar ein erhöhtes Allergierisiko (In Deutschland wird mittlerweile fast jedes dritte Kind auf diesem Weg geboren). Bei einer natürlichen Geburt kommt das Kind im Geburtskanal mit verschiedenen Mikroorganismen in Kontakt. Vermutlich wird das kindliche Immunsystem dadurch trainiert und die Allergiebereitschaft geschwächt. Sofern ein Kaiserschnitt nicht medizinisch notwendig ist, sollte das erhöhte Allergierisiko bei der Wahl dieses Geburtsverfahrens mitbedacht werden.
Ernährung
Stillen hilft Säuglingen einen eigenen Schutz vor Allergien aufzubauen. In den ersten vier Monaten sollen Kinder daher voll gestillt werden (Die Nationale Stillkommission rät, Kinder auch nach Einführung der Beikost – frühestens mit Beginn des fünften Monats – weiter zu stillen, da viele gesundheitliche Aspekte dafür sprechen).
Ist Stillen nicht möglich, sollten Risikokinder hydrolysierte Säuglingsnahrung erhalten. Sojamilch als Ersatznahrung wird nicht empfohlen.
Vielfältig und ausgewogen – so sollten sich Frauen während Schwangerschaft und Stillzeit ernähren. Frühere Empfehlungen, in dieser Zeit auf Fisch, Nüsse oder andere allergene Nahrungsmittel zu verzichten, sind überholt. Im Gegenteil: Es gibt Hinweise, dass Fisch in der mütterlichen Ernährung das Allergie-Risiko des Kindes senkt.
Auch die Beikost des Säuglings sollte möglichst abwechslungsreich sein. Noch vor einigen Jahren wurde geraten, allergene Nahrungsmittel möglichst lange zu meiden. Davon ist man inzwischen abgekommen. Eier, Weizen, Fisch etc. sollen nach Einführung der Beikost im ersten Lebensjahr durchaus gegessen werden, da ein Verzicht das Allergierisiko offensichtlich nicht senkt. Gerade Fisch (grätenfrei) sollte sogar Bestandteil der Beikost sein. Die ausgewerteten Studien zeigen, dass er vor Allergien schützen kann.
Nicht nur die Qualität der Nahrung, auch die Menge spielt bei der Allergieprävention eine Rolle: Übergewicht birgt neben anderen gesundheitlichen Gefahren auch das Risiko, eher an Asthma zu erkranken. Das gilt sowohl für Kinder wie für Erwachsene.
Haustiere
Egal ob Vogel, Katze oder Hund – im Normalfall hat das Halten von Haustieren keinen Einfluss auf das Entstehen einer Allergie. Bei Risikokindern sieht das anders aus: Hier gilt die Empfehlung, keine Katzen anzuschaffen. Einzelstudien zeigen, dass die vorbelasteten Kinder dadurch ein erhöhtes Risiko haben, Neurodermitis zu entwickeln. Die Frage, ob man im Risikofall eine bereits im Haushalt lebende Katze abgibt, wird am besten individuell mit dem Allergologen besprochen. Hundehaltung ist übrigens nicht mit einer höheren Allergie-Wahrscheinlichkeit verbunden.
Tabakrauch
Passivrauchen erhöht das Allergierisiko für Kinder. Wird im Haushalt geraucht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind an Asthma erkrankt. Da Kinder schon im Mutterleib für Allergien sensibilisiert werden können, gilt die Empfehlung für eine rauchfreie Umgebung bereits ab der Schwangerschaft.
Auch bei Erwachsenen erhöht Rauchen das Asthmarisiko.
Schimmel
Schimmelpilz-Sporen können Allergien auslösen. Da Schimmel dort gedeiht, wo es feucht ist und die Luft nicht zirkuliert, ist wiederholtes Stoßlüften und das Beseitigen feuchter Stellen bzw. schon vorhandener Schimmelflecken empfehlenswert.
Luftschadstoffe
Die Belastung mit Innenraum-Luftschadstoffen sollte so gering wie möglich gehalten werden. Formaldehyd oder flüchtige organische Verbindungen stehen im Verdacht, das Risiko für Allergien, besonders für Asthma, zu erhöhen. Die Stoffe werden beispielsweise aus neuen Möbeln oder beim Renovieren aus Farben und Lacken freigesetzt.
Auch Schadstoffe, die von Kraftfahrzeugen ausgestoßen werden, begünstigen das Entstehen von Allergien. Die (Wohn-)Nähe zu verkehrsreichen Straßen geht mit einem erhöhten Allergierisiko (besonders für Asthma) einher.
Impfen
Die Autoren der Leitlinie kommen zu dem Ergebnis, dass das Allergierisiko durch Impfungen nicht steigt. Sie empfehlen daher, Kinder (auch Risikokinder) nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) impfen zu lassen.
Außerdem
Neben den genannten Einflussgrößen werden noch weitere Schutzfaktoren diskutiert. So gibt es Belege, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, eine Kita in den ersten zwei Lebensjahren besuchen, oder mehrere ältere Geschwister haben, besser vor Allergien geschützt sind. Vermutlich stärken diese Lebensbedingungen das frühkindliche Immunsystem.
Eine immunstärkende Wirkung wird auch Probiotika zugeschrieben (Zubereitungen, die lebensfähige Mikroorganismen wie beispielsweise Milchsäurebakterien enthalten). Es gibt Hinweise, dass Probiotika einer Neurodermitis vorbeugen können. Allerdings ist die Studienlage zu uneinheitlich – etwa in Bezug auf die untersuchten Bakterienstämme und die Bakterienmenge – um daraus Empfehlungen abzuleiten. Präbiotika haben in einzelnen Studien ebenfalls einen gewissen Schutz vor Neurodermitis gezeigt. Die unverdaulichen Stoffe, die das Wachstum günstiger Darmbakterien fördern, kommen beispielsweise in Zwiebeln, Schwarzwurzeln und Chicorée vor. Aber auch hinsichtlich der Präbiotika ist die Studienlage zu dürftig, um sie zur Allergieprävention zu empfehlen.
Das gleiche gilt für andere Nahrungsbestandteile, denen Schutzeffekte beigemessen werden: Den Zutaten der mediterranen Kost (viel pflanzliche, mäßig tierische Nahrung, Olivenöl), Omega 3-Fettsäuren (z.B. in Fettfisch wie Lachs, Makrele, Hering, oder in Raps- und Leinöl) und den Fettsäuren in Milchfett. Zu diesen Nahrungsbausteinen muss jedoch noch weiter geforscht werden, bevor sich konkrete Empfehlungen aussprechen lassen.
Prof. Dr. med. Dr. h.c. T. Zuberbier
Letzte Änderung: Juli 2016
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