Die Latexallergie ist vor allen Dingen ein Phänomen des 20 Jahrhunderts. Sie wurde 1927 zum ersten Mal beschrieben und 1979 erstmalig durch einen Pricktest diagnostiziert.
Verbreitung
Da der Handschuhgebrauch im medizinischen Bereich im Rahmen der HIV-Pandemie in den 80er und 90er Jahren deutlich zunahm, konnte zu dieser Zeit auch ein Anstieg der Personen mit berufsbedingter Latexallergie beobachtet werden. Am Höhepunkt der Verbreitung beschreiben Studien, dass 10-17% der Beschäftigten im Gesundheitswesen unter einer Latexallergie gelitten haben. Um die rasante Verbreitung bei Medizinpersonal, Patienten und auch Arbeitern in der Latexindustrie einzudämmen, wurden Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung zu stoppen. Unter anderem wurden:
- die Produktionsbedingungen verbessert
- allergenarme Latexhandschuhe ohne Puderbeschichtung hergestellt
- Handschuhe aus alternativen Materialien entwickelt
Durch diese Veränderungen ist es gelungen, die Zahl der Betroffenen im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts deutlich zu senken. Bei der Verbreitung der Latexallergie muss zwischen der allgemeinen Bevölkerung und gewissen Risikogruppen unterschieden werden. Für die durchschnittliche Bevölkerung ohne berufsbedingten Kontakt mit Latex geht man davon aus, dass die Verbreitung zwischen 1 und 1.37% liegt. Für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen müssen höhere Zahlen angenommen werden. Je nach Region sind 2.7% (Italien) oder bis zu 11.7% (Sri Lanka) der so genannten Health Care Workers (Ärzte, Zahnärzte, Krankenschwestern, Hebammen u.v.m.) von einer Latexallergie betroffen.
Zu den Risikofaktoren für die Latexallergie zählen:
- Bestimmte Berufsgruppen wie medizinisches Personal, Arbeiter in der Kautschukindustrie, Raumpflegefachkräfte
- Pflegebedürftigkeit im Alter
- Handekzem
- (häufige) Operationen
- Offener Rücken (Spina bifida), da durch das Krankheitsbild oft viele Operationen notwendig werden
- eine erbliche Veranlagung zu Allergien in der Familie
- Bestimmte Nahrungsmittelallergien (zum Beispiel Avocado, Kastanie, Banane, Kiwi, Feige, Mango und Papaya).
Auslöser
Naturlatex ist ein weltweit eingesetztes und stark verbreitetes Material. Neben den Schutzhandschuhen findet es sich unter anderem in: Lebensmitteln (Kaugummi), Lebensmittelverpackungen, selbstklebenden Briefumschlägen, Schwimmmützen, Schnorcheln, Taucherbrillen, Radiergummis, Zahnbürsten, beschichteten Regenmänteln, Spielzeug, Wimpernzangen, Anti-Rutschsocken, Kompressionsstrümpfen, Schnullern, Autoreifen, Luftballons, Luftmatratzen, Einmachgummis, Kondomen und medizinischen Geräten. Über 12 Millionen Tonnen werden jährlich produziert. Bis heute wurden 15 Allergene in Naturlatex identifiziert.
Der allergieauslösende Kontakt verläuft meist über die Haut. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, sich über die Atemwege gegen Latex zu sensibilisieren. Dies ist insbesondere bei der Herstellung und Anwendung von puderbeschichteten Hygienehandschuhen problematisch, da sich Allergene aus dem Latex mit dem latexfreien Puder verbinden. Gerät der Puder in die Luft, können Latexallergene eingeatmet werden.
Da nicht nur medizinische Handschuhe, sondern auch Katheter und andere medizinische Hilfsmittel Latex enthalten können, ist es sehr wichtig, dass Betroffene das medizinische Personal vor einer Operation oder Behandlung informieren.
Viele Patienten, die auf Latex allergisch reagieren, entwickeln im Lauf der Zeit so genannte Kreuzreaktionen auf bestimmte Nahrungsmittel oder Pflanzen. Insbesondere tropische Früchte wie Avocado, Banane und Kiwi weisen ähnliche Eiweißstrukturen auf wie die Kautschukpflanze. Kommt das Immunsystem einer Person, die gegen bestimmte Latex-Eiweiße allergisch ist, mit diesen Früchten in Berührung, kann es sein, dass aufgrund der Ähnlichkeit der Eiweiße zum Beispiel auch eine Kiwi eine allergische Reaktion auslöst. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Latex-Frucht-Syndrom. Menschen, die bereits an einer Allergie gegen eines dieser Nahrungsmittel leiden, haben umgekehrt ein erhöhtes Risiko, im Lauf der Zeit auch auf Latex zu reagieren. Auch bestimmte Pflanzen können Kreuzreaktionen auslösen. Hierzu zählen der Maulbeerbaum, Gummibäume, Weihnachtssterne, Hanf oder Oleander.
Beschwerden
Die körperlichen Anzeichen für eine allergische Reaktion auf Latex können sein:
- juckender, roter Hautausschlag an der Kontaktstelle (zeitverzögert oder direkt)
- Quaddelbildung an der Kontaktstelle (zum Beispiel an den Händen)
- allergischer Schnupfen und juckende, rote Augen (insbesondere bei Kontakt über die Atemwege)
- asthmatische Beschwerden wie Luftnot und Husten (insbesondere bei Kontakt über die Atemwege)
- anaphylaktische Reaktionen bis hin zum Kreislaufstillstand
Diagnoseverfahren
Um eine Latexallergie festzustellen, wird der Arzt zunächst ein ausführliches Beratungsgespräch führen, in dem die Symptome, Lebensbedingungen und familiären Vorbelastungen erfasst werden. Im Anschluss daran wird entweder ein Hauttest (Pricktest oder Reibetest) und / oder eine Blutuntersuchung durchgeführt. Diese Tests zeigen eine Allergiebereitschaft für einen bestimmten Stoff an, sie können jedoch keine Allergie beweisen. Wenn auf diese Weise keine Klarheit erreicht werden kann, besteht die Möglichkeit eine Provokation, zum Beispiel an der Haut oder Nasenschleimhaut, durchzuführen. Anhand der Reaktionen kann überprüft werden, ob Latex allergieauslösend ist oder ob es von der Liste der verdächtigen Stoffe gestrichen werden kann. Eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen Tests finden Sie hier.
Therapie
Der wichtigste Baustein bei der Therapie ist das Vermeiden des Auslösers (Fachbegriff: Karenz). Es sollten naturlatexfreie Handschuhe und Kondome verwendet und der Arbeitsplatz auf latexhaltige Produkte systematisch überprüft werden. Gegebenenfalls müssen bei einer latexbedingten Nahrungsmittelallergie auch bestimmte Lebensmittel gemieden werden. Die Beschwerden können zusätzlich durch die medikamentöse Therapie behandelt werden. Die Möglichkeiten einer Immuntherapie werden für die Latexallergie derzeit erforscht.
Betroffene sollten stets einen Allergiepass bei sich tragen, der bei jedem Arztbesuch unbedingt vorzuzeigen ist. Wenn die Beschwerden am Arbeitsplatz auftreten und durch strenge Karenz nicht gebessert werden können, ist gegebenenfalls die Berufskrankheitsanzeige notwendig. Menschen mit einem Risiko für schwere allergische Reaktionen, müssen stets ein Notfallset bestehend aus Adrenalin-Autoinjektor, flüssigem Kortison und einem Antihistaminikum bei sich tragen.
Prof. Dr. med. Dr. h.c. T. Zuberbier
Letzte Änderung: Juli 2016