Krebs- und Weichtierallergie

Muscheln und Garnelen werden gern in einen Topf geworfen – auch begrifflich. Meist bezeichnet man sie als Schalentiere. Dabei gilt eigentlich: Muscheln, Schnecken und Kopffüßer wie Tintenfische sind Weichtiere. Garnelen, Langusten, Flusskrebse und Hummer gehören zum Stamm der Gliederfüßer; genauer zur Untergattung der Krebstiere. In der Küche werden Krebstiere, die gegessen werden können, häufig auch als Krustentiere bezeichnet.

Verbreitung

In Europa reagieren etwa 0,1 Prozent der Menschen in sogenannten Provokationstests auf Krebs- und / oder Weichtiere allergisch. Länder, in denen viele Meeresfrüchte verzehrt werden, weisen höhere Allergieraten auf. In Skandinavien, Portugal und Spanien zählen Krebs- und Weichtierallergien zu den häufigsten Nahrungsmittelallergien.

Weichtiere und Krebse

Auslöser

Hauptallergene in Krebs- und Weichtieren sind sogenannte Tropomyosine. Diese Eiweiße (Proteine) sind für Muskelbewegungen wichtig. Da sie durch Hitze nicht zerstört werden, kann sowohl rohes wie gekochtes Krebs- und Weichtierfleisch Allergien hervorrufen.

Während die Allergie meistens dann auftritt, wenn die Krebs- oder Weichtiere gegessen werden, kann es bei empfindlichen Menschen schon ausreichen, wenn sie den Dampf gekochter Meeresfrüchte einatmen. Auch Hautkontakt kann allergische Reaktionen hervorrufen. Vor allem in der Fischerei oder in der Gastronomie spielt diese Form der Sensibilisierung eine Rolle.

Eine Allergie kann gegen einzelne wie auch gegen verschiedene Krebstierarten bestehen. Das gilt ebenso für die Weichtierarten. Teilweise sind die Betroffenen gegen Krebs- und Weichtiere allergisch und vertragen keine der Meeresfrüchte.

Übrigens entwickeln manche Menschen mit einer Hausstaubmilbenallergie auch eine Allergie gegen Krebs- und Weichtiere. Der Grund: Hausstaubmilben gehören wie Krebse zum Stamm der Gliederfüßer und verfügen über Tropomyosine. Sind die Betroffenen bereits gegen diese Hausstaubmilben-Tropomyosine sensibilisiert, erkennt ihr Immunsystem auch die ähnlich aufgebauten Eiweiße der Krebs- und Weichtiere als gefährlich. Zur Hausstaubmilbenallergie kommt dann die Nahrungsmittelallergie hinzu. Manchmal passiert das auch in umgekehrter Reihenfolge (nach einer Krebs- oder Weichtierallergie entsteht eine Hausstaubmilbenallergie).

Beschwerden

Krebs- und Weichtierallergien können an verschiedenen Organen leichte aber auch heftige allergische Reaktionen erzeugen: vom sogenannten oralen Allergiesyndrom, bei dem die Schleimhaut im Mund- und Rachenraum wenige Minuten bis Stunden nach der Aufnahme kribbelt oder anschwillt bis hin zum anaphylaktischen Schock mit Atemnot und Kreislaufstillstand.

Es kann zu Bauchschmerzen, Erbrechen oder Durchfall kommen. Auch die Haut kann sich röten, jucken oder Quaddeln bilden. In manchen Fällen sind die Atemwege beteiligt. Die Symptome reichen vom allergischen Schnupfen bis zu asthmatischen Beschwerden.

Krebs- und Weichtierallergie im Kindesalter

Allergien gegen Krebs- und Weichtiere können bereits im Kindesalter entstehen. Man geht davon aus, dass in Europa etwa 0,1 Prozent aller Kinder betroffen sind. Während Nahrungsmittelallergien gegen Milch oder Ei oft wieder abklingen, legen Studien nahe, dass Krebs- und Weichtierallergien meist ein Leben lang bestehen bleiben. 

Diagnoseverfahren

Ob eine Krebs- und/oder Weichtierallergie vorliegt, klärt der Arzt oder die Ärztin zunächst in einem Gespräch über Ernährungsgewohnheiten und Beschwerden.

Der Verdacht auf eine Allergie wird mit einem Haut– und/oder Bluttest weiter abgesichert. Diese Tests zeigen eine Allergiebereitschaft für einen bestimmten Stoff an, sie können jedoch keine Allergie beweisen. Deshalb wird im Zweifelsfall ein weiteres Diagnoseverfahren herangezogen: Der Provokationstest. Dafür ernähren sich die Betroffenen einige Zeit allergenfrei. Im Anschluss werden ihnen unter ärztlicher Kontrolle geringe Mengen Krebs bzw. Weichtierprotein verabreicht. So kann überprüft werden, ob und welche der Tiere tatsächlich allergieauslösend sind oder ob sie von der Liste der verdächtigen Stoffe gestrichen werden können.

Von den Symptomen einer Krebs- und Weichtierallergie müssen Beschwerden abgegrenzt werden, die zwar allergieähnlich sind, die aber durch Bakterien, Viren oder Toxine in den Meerestieren ausgelöst werden. So können beispielsweise Mikroalgen in Muscheln Gifte produzieren, die eine allergische Reaktion imitieren.

Therapie

Eine Krebs- und Weichtierallergie wird am effektivsten gelindert, indem die Auslöser gemieden werden. Welche Tiere vom Speiseplan gestrichen werden müssen, kann der Allergologe oder die Allergologin nur nach gründlicher Diagnostik entscheiden.

Menschen mit einer schweren Krebs- und/oder Weichtierallergie, bei denen bereits kleinste Mengen Eiweiß einen anaphylaktischen Schock auslösen, müssen ein Notfallset bestehend aus Adrenalinautoinjektor, einem Kortikosteroid (flüssig oder in Tablettenform) und einem Antihistaminikum (flüssig oder in Tablettenform) bei sich tragen.

Prof. Dr. med. Dr. h.c. T. Zuberbier
Letzte Änderung: Juli 2016