26. November 2020
Kortison – sind weniger Nebenwirkungen möglich?

Gewichtszunahme, dünne Haut, Diabetes – alles Nebenwirkungen von Kortison. Wären weniger Nebenwirkungen möglich? Münchner Forscher:innen suchen Wege zu Alternativen.

Wenn jemand „Kortison nimmt“, sind damit meist so genannte Glukokortikoide gemeint – also Medikamente, die wie das körpereigene Hormon Kortisol wirken (zum Beispiel Prednison oder Dexamethason). Sie sind sehr wirksame Entzündungshemmer. Dass sie Nebenwirkungen haben, erfahren Menschen mit Allergien oder Asthma allerdings auch oft auch am eigenen Leib.Ein ideales Medikament würde die Entzündung genauso wirksam stoppen wie Kortison – nur ohne starke Nebenwirkungen.

 

Ein Münchner Forschungsteam hat jetzt herausgefunden, dass Kortison-Medikamente in menschlichen Zellen anders wirken als gedacht. Das könnte zu neuen, nebenwirkungsärmeren Medikamenten führen.

 

Worum ging es in der Studie?

Um Glukokortikoid-Rezeptoren (GR). Das sind die Stellen, an denen Kortison-Medikamente in menschlichen Zellen andocken, um dann Entzündungen zu stoppen.

 

Bisher dachte man, der Entzündungsstopp passiert in drei Schritten: Erst binden die Medikamente an diese Glukokortikoid-Rezeptoren. Zweitens docken diese Rezeptoren dann an weitere Eiweißstoffe in der Zelle an. Drittens blockiert die Eiweißstoff-Rezeptor-Kombination dann Entzündungs-Gene im menschlichen Erbgut. Man ging davon aus, dass der Glukokortikoid-Rezeptor selbst nicht mit dem Erbgut in Berührung kommt.

 

Was ist neu?

Das Team der Technischen Universität München hat herausgefunden, dass sich der Glukokortikoid-Rezeptor sogar unbedingt an das Erbgut (die DNA) binden muss, um Entzündungen zu hemmen. Damit funktionieren Kortison-Medikamente über einen anderen Weg als jahrelang angenommen.

 

Warum ist das wichtig?

Ob der Glukokortikoid-Rezeptor sofort an das Erbgut bindet oder erst den Umweg über einen anderen Eiweißstoff nimmt – dieser Unterschied ist für die Forschung riesig.

 

Denn sie sucht seit Jahren nach Kortison-Alternativen. Allerdings haben sich die Forschenden vor allem auf die Bindung von Eiweißstoff an Eiweißstoff konzentriert und damit möglicherweise in die falsche Richtung geschaut. Zu wissen, dass der Glukokortikoid-Rezeptor direkt ans Erbgut bindet, eröffnet neue Möglichkeiten, Medikamente zu entwickeln.

 

Wie haben die Forscher:innen das herausgefunden?

Die Wissenschaftler:innen haben ihre Ergebnisse einer speziellen Maus zu verdanken: Bei ihr haben sie den Glukokortikoid-Rezeptor so verändert, dass er zwar noch an andere Eiweißstoffe bindet, aber nicht mehr direkt ans Erbgut.

Es stellte sich heraus: Glukokortikoide (die Kortison-Medikamente) konnten Entzündungen dann nicht mehr hemmen.

 

Was passiert jetzt?

„Wir wissen jetzt, dass die DNA-Bindung eine wichtige Rolle spielt, haben aber immer noch keinen Weg gefunden, die Nebenwirkungen von den gewünschten Wirkungen zu trennen – deswegen werden wir natürlich weiter forschen“, sagt Henriette Uhlenhaut, Leiterin der Münchner Forschungsgruppe. Sie ist Professorin für ‚Metabolic Programming‘ an der Technischen Universität München.

Originalstudie

Escoter-Torres L et al.: Anti-inflammatory functions of the glucocorticoid receptor require DNA binding. Nucleic Acids Research 2020, 48 (15): 8393-407

 

Weitere Quellen

Baumeister Katharina. DNA-Bindung von Steroiden für deren Wirkung unerlässlich – Kortison-Alternativen auf der Spur. Pressemitteilung der Technischen Universität München vom 02.09.2020