17. Dezember 2021
Schnell noch starten: Hyposensibilisierung

Menschen mit Pollenallergie sollten am besten im Herbst mit einer allergenspezifischen Immuntherapie beginnen – auch der Spätherbst ist noch sinnvoll. So hat der Körper Zeit, sich für die Pollensaison zu wappnen.

 

Einen Durchschnittswinter prophezeit der Deutsche Wetterdienst für die kommenden Monate. Gute Nachrichten für Menschen mit Pollenallergie, denn ist der Winter kalt, fliegen die Pollen mit etwas Glück nicht schon im Dezember.
Dennoch: Wer eine Pollenallergie hat, sollte sich frühzeitig der allergenspezifischen Immuntherapie (SIT, AIT) unterziehen – früher auch Hyposensibilisierung genannt. Auch jetzt ist noch Zeit, um damit zu beginnen.

Was kann die spezifische Immuntherapie?

Die Idee hinter der SIT: Der Körper soll sich langsam an die Pollen gewöhnen. Dadurch lernt das Immunsystem, auf die eigentlich harmlosen Pollen nicht mehr mit einer Überreaktion zu antworten. Die Allergie lässt sich so im Zaum halten.

Die SIT wirkt nicht nur auf die bestehenden Symptome des Heuschnupfens an Auge und Nase, die nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Leistungsfähigkeit im Alltag erheblich beeinflussen.
Sie ist auch aus einem zweiten Grund wichtig: Die SIT hilft, allergisches Asthma zu vermeiden, die schwerwiegendste Folge des Heuschnupfens. Bei Asthma sind die Atemwege dauerhaft entzündet und verursachen neben Husten auch pfeifenden Atem und Luftnot. Immerhin rund 30 Prozent aller Menschen mit allergischen Erkrankungen der oberen Atemwege entwickeln früher oder später Asthma. Die SIT beugt diesem „Etagenwechsel“ von den oberen Atemwegen in die Lunge vor.

Wie funktioniert die SIT?

Schritt 1 – Allergieauslöser erkennen.

Zunächst wird bestimmt, welche Allergene genau die Beschwerden auslösen. Nach einem ausführlichen Gespräch führt die Ärzt:in dann meist einen Hauttest (Prick-Test) durch und/oder nimmt Blut ab. Im Blut wird untersucht, wie viel Antikörper gegen bestimmte Allergieauslöser enthalten sind. Man misst also zum Beispiel die Menge der Antikörper der Klasse E (IgE) gegen Birkenpollen.
Dieser erste Schritt ist wichtig für den Behandlungserfolg, deshalb sollte man für die Untersuchung direkt zur Allergolog:in. Die Allergie-Expert:innen wissen zum Beispiel, dass Menschen mit Allergien gegen Birke und Hasel oft auch auf Eiche und Kastanie reagieren und untersuchen diese Allergieauslöser gleich mit.

Die Diagnose der Allergieauslöser ist in den letzten Jahren immer genauer geworden. Grund dafür ist vor allem die molekulare Allergiediagnostik. Damit lassen sich nicht nur Antikörper gegen zum Beispiel Birkenpollen erkennen, sondern sogar gegen einzelne Birkenpollen-Bestandteile. So wird auch die Behandlung präziser. Wenn man weiß, gegen welches Eiweiß genau der Körper allergisch reagiert, kann man ihn exakt darauf vorbereiten.

 

Schritt 2 – Mini-Trainingsdosis geben.

Weiß man, wie der Allergieauslöser genau aussieht, führt man ihn dem Körper in geringer Dosis zu. Man fängt mit einer winzigen Menge an und erhöht die Dosis nach und nach. Das Immunsystem kann sich so langsam daran gewöhnen. Die Allergieauslöser bekommt man entweder in den Oberarm unter die Haut gespritzt (subkutane spezifische Immuntherapie, SCIT), oder man nimmt sie als Tablette oder Tropfen unter die Zunge ein (sublinguale spezifische Immuntherapie, SLIT).

Der Markt der speziell für die SIT hergestellten Allergieauslöser ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Inzwischen werden sie auch schärfer kontrolliert: Spätestens 2025 müssen die wichtigsten künstlich hergestellten Allergieauslöser eine behördliche Zulassung aufweisen, damit sie von den Ärzt:innen verordnet und den Krankenkassen erstattet werden dürfen.

 

Schritt 3 – Dosis drei Jahre beibehalten.

Ist die sogenannte Erhaltungsdosis erreicht, muss man den Allergieauslöser über einen längeren Zeitraum weiter geben – in der Regel drei Jahre. Danach sind die allergischen Reaktionen meist deutlich und dauerhaft gemildert.
Ob man besser Tropfen einnimmt oder Spritzen bekommt, sollte man im Vorfeld mit der Ärzt:in besprechen. Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile.

 

Die beste Behandlungsvariante

„Wir besprechen mit allen Patienten und Patientinnen, welche Behandlungsvariante individuell die beste ist. Viele meiner Patienten entscheiden sich für die regelmäßige Spritze in der Praxis, weil sie nicht jeden Tag an die Tropfen denken wollen“, sagt Professor Dr. Torsten Zuberbier, ECARF-Experte und Leiter des Allergie-Centrums der Charité in Berlin.

Prinzipiell gibt es für den Ablauf einer SIT vier Möglichkeiten:

  1. Ganzjährige SCIT: Der Allergieauslöser wird zunächst jede Woche (10-12 Wochen) gespritzt, so lange, bis die Erhaltungsdosis erreicht ist. Die Spritze mit der Erhaltungsdosis gibt es danach jeden Monat. Für jede Spritze muss man in die Arztpraxis.
    Dieses klassische Schema wird übrigens immer bei Personen genutzt, die sogenannte Einzelallergene bekommen. Das sind speziell für die Allergie einer einzelnen Person zusammengestellte Allergieauslöser-Cocktails. Wer auf häufige Allergieauslöser reagiert, für die es die im industriellen Maßstab hergestellten Standard-Cocktails gibt, kann die folgenden Schemata nutzen.
  2. Präsaisonale SCIT: Bei dieser „Kurzzeit-Therapie“ wird die Dosis des Allergieauslösers in der Anfangsphase schnell gesteigert. So erreicht man früher die Erhaltungsdosis. Die Spritze für die Erhaltungsdosis bekommt man dann ebenfalls monatlich in der Arztpraxis. In der Pollensaison ist Spritzen-Pause. Insgesamt kommt man also mit weniger Spritzen und weniger Praxisbesuchen aus.
  3. Ganzjährige SLIT: Man nimmt den Allergieauslöser täglich selbst ein. Ein Besuch in der Praxis ist nur am Anfang und zu den Kontrollterminen nötig. Der Nachteil: Man muss jeden Tag an das Einnehmen der Tablette oder der Tropfen denken.
  4. Prä-/Kosaisonale SLIT: Hier nimmt man den Allergieauslöser vier Monate vor und während der Pollensaison selbst ein. Ein Besuch in der Praxis ist auch hier am Anfang der Behandlung und zu den Kontrollterminen nötig. Insgesamt kommt man mit weniger Praxisbesuchen aus. Der Nachteil auch hier: Man muss selbst an das Einnehmen der Tablette oder der Tropfen denken.

Spezifische Immuntherapie und CoViD-19

Sollte man auch in Zeiten der Corona-Pandemie die allergenspezifische Immuntherapie durchführen?

Wenn möglich ja, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Jedenfalls, solange man gesund ist und keine Beschwerden hat, die auf CoViD-19 hinweisen. „Bei Infektzeichen wie Fieber, unklarem Husten oder reduziertem Allgemeinzustand sollte die SIT ausgesetzt und zu einem späteren (beschwerdefreien) Zeitpunkt fortgeführt werden“, so die Fachgesellschaft. Wenn man die SCIT oder die SLIT unterbrechen muss, sollte man zur Ärzt:in zur Kontrolle, bevor man erneut mit der Behandlung beginnt.

 

Quellen

Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI). AIT und COVID-19. Letzter Download am 28.11.2021

 

Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI). S2k-Leitlinie SIT. Letzter Download am 28.11.2021

 

Klimek L et al. Handling of allergen immunotherapy in the COVID-19 pandemic. An ARIA-EAACI statement. Allergy 2020;75(7):1546–54.

 

Mahler V et al. Immuntherapien von Allergien: Aktueller Stand. Bundesgesundheitsbl 2020;63:1341–56

 

Mortasawi V., Pfützner W. Allergen-Immuntherapie: Facts und FAQs.
Hautarzt 2021;72:760–9

 

Trippler S. Deutscher Wetterdienst. Wie wird der Winter? Online-Artikel vom 30.11.2021. Letzter Download am 30.11.2021

 

Wolf E. Programmierung auf Toleranz. Fachartikel in der Pharmazeutischen Zeitung vom 22.02.2019. Letzter Download am 14.11.2021