20. August 2019
Begünstigen Magensäureblocker Allergien?

Eine Studie aus Österreich geht davon aus, dass die Einnahme eines Magensäureblockers das Allergie-Risiko erhöht. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) sieht dieses Ergebnis kritisch. Wer hat Recht?

Warum ist die Studie interessant?

 

„Wer magenschonende Mittel wie Protonenpumpenhemmer einnimmt, erhöht sein Risiko für behandlungsbedürftige allergische Symptome um das Zwei- bis Dreifache“, sagt Galateja Jordakieva, Mitarbeiterin an der Universität Wien und Erstautorin der Studie. Das Ergebnis betrifft Viele. Joachim Mössner, Gastroenterologe am Universitätsklinikum Leipzig, geht davon aus, dass 12 von 100 Menschen in Deutschland Protonenpumpenhemmer (PPI) einnehmen.

 

Wie ist das Forschungsteam vorgegangen?

 

Der Auswertung liegen die Daten von rund acht Millionen Krankenversicherten in Österreich zugrunde. Jordakieva geht davon aus, dass weniger Magensäure den Verdauungsprozess beeinträchtigt. Bei steigendem pH-Wert (= weniger Säure) werden Nahrungsmittel nicht mehr ausreichend aufgespalten. Allergene aus der Nahrung gelangen dann unverarbeitet in den Darm.

 

Wer kritisiert die Studie?

 

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) kann diese Schlussfolgerung nicht nachvollziehen. Ein Kritikpunkt der DGVS: Wäre die Hemmung der Magensäure tatsächlich Ursache für ein höheres Allergie-Risiko, müssten Medikamente mit hoher Säureunterdrückung mehr Allergien hervorrufen als solche, die die Magensäure nur gering beeinflussen. Diese Unterscheidung fehle in der Studie.

 

Was steht dazu in der Studie?

 

Wer die Studie jedoch aufmerksam liest, findet diese Unterscheidung. Die Studie bescheinigt den wenig säurehemmenden Sucralfaten (Handelsname: Sucrabest®) ein geringeres Allergie-Risiko als den Protonenpumpenhemmern (z.B. Omeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol) und den H2-Blockern (z.B. Cimetidin, Ranitidin, Famotidin). Jordakieva und ihr Team weisen auch darauf hin, dass häufig mehrere Säureblocker zum Einsatz kommen und daher das Allergie-Risiko nicht immer einer bestimmten Substanz zugeschrieben werden kann.

 

Was tun?

 

Der Verdacht, dass Säureblocker Allergien begünstigen, ist nicht neu. Das Thema beschäftigt die Wissenschaft seit Jahren. Allein die aktuelle Studie nennt 13 frühere Veröffentlichungen, die bereits untersucht haben, ob und wie die „Magenschoner“ Allergien fördern.

 

In einem scheinen sich alle ExpertInnen einig: Säureblocker werden zu häufig und zu lange eingenommen. Der Barmer Arzneimittelreport 2019 besagt, dass gut 1,3 Millionen der 8,2 Millionen dort Versicherten Protonenpumpen nutzen. Das entspricht rund 16% der Versicherten und geht sogar über die von Joachim Mössner genannten Zahlen hinaus. Der Barmer Arzneimittelreport 2018 hält jede zweite Einnahme für medizinisch nicht (mehr) begründet.

 

Neben dem möglichen Allergierisiko gibt es genug weitere Gründe, die Magensäure nur solange wie nötig zu unterdrücken. Eine längere PPI-Einnahme kann Knochenbrüche, Herzinfarkt und Schlaganfälle begünstigen.

 

Text: ch/ktg

 

Quellen

 

Pressemitteilung: Magenschutz-Medikamente können Allergien auslösen. Universität Wien, 31.07.2019

 

Originalstudie: Jordakieva G et al. Country-wide medical records infer increased allergy risk of gastric acid inhibition. Nat Commun. 2019;10(1):3298.

 

Pressemitteilung: Kein evidenter Zusammenhang zwischen Magensäureblockern und Allergien. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS), 05.08.2019

 

Mössner J. The indications, applications, and risks of proton pump inhibitors—a review after 25 years. Dtsch Arztebl Int. 2016; 113: 477–83.

 

Grandt D et al. Arzneimittelreport 2018. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse der Barmer Krankenkasse, Band 10.

 

Grandt D et al. Arzneimittelreport 2019. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse der Barmer Krankenkasse, Band 16.