8. Januar 2021
Corona-Impfung auch bei Menschen mit schweren Allergien möglich

In Großbritannien und den USA sind nach Corona-Impfungen in Einzelfällen anaphylaktische Reaktionen aufgetreten. Generell ist der Corona-Impfstoff für Menschen mit Allergien gut verträglich.

Der neue SARS-CoV19-Impfstoff BNT162b2 der Firmen Pfizer/Biontech hat bei Menschen in allergischen Vorerkrankungen anaphylaktische Reaktionen hervorgerufen.

 

Die britischen Behörden raten: Wer schon einmal anaphylaktische Reaktionen auf Nahrungsmittel, Medikamente oder Impfungen hatte, sollte sich zunächst nicht mit dem neuen Impfstoff BNT162b2 von Pfizer/Biontech impfen lassen.

 

Die von der Anaphylaxie Betroffenen hätten eigentlich gar nicht geimpft werden dürfen, denn sie hatten früher schon einmal eine anaphylaktische Reaktion. Laut Fachinformation der englischen Behörden darf der Pfizer/Biontech-Impfstoff nicht gegeben werden, wenn Personen vorher schon eine anaphylaktische Reaktion auf Impfstoffe oder Bestandteile von Impfstoffen gezeigt haben (England NHS 20). Eine Allergietestung vor Impfung hätte dieses Risiko erkannt und die Anaphylaxie verhindern können.

 

Was sollten Menschen mit Allergie jetzt tun?

Die deutschen allergologischen Fachgesellschaften AeDA, DGAKI, GPA weisen aktuell darauf hin, dass allergische Reaktionen auf Impfstoffe insgesamt sehr selten sind. Studien nennen Zahlen zwischen einem Fall bis höchstens 300 Fällen pro einer Million Impfungen (Klimek 2020).
„Sofern sie keine Anaphylaxie in der Vorgeschichte haben, reagieren Menschen mit Allergien auf den Impfstoff genau wie alle anderen ohne Allergien“, sagt Prof. Torsten Zuberbier. Die bisher größte Studie zum Pfizer/Biontech Impfstoff zeigt, dass allergische Reaktionen ähnlich häufig sind, gleichgültig, ob der Impfstoff oder ein Placebo gespritzt wird (Polack 2020).

 

Was tun, wenn man schon eine Anaphylaxie hatte?

Ärzt:innen müssen jede:n vor der Impfung über mögliche schwere allergische/anaphylaktische Reaktionen aufklären, um weitere anaphylaktische Reaktionen zu vermeiden.

 

„Wer in der Vergangenheit eine anaphylaktische Reaktion hatte, sollte den Impf-Arzt oder die -Ärztin unbedingt darüber informieren“, so Torsten Zuberbier.

 

Möglicherweise könnten Patient:innen mit schweren allergischen Reaktionen in der Vorgeschichte sogar trotzdem geimpft werden, so die deutschen allergologischen Fachgesellschaften. Allerdings müssen sie vorher die richtigen antiallergischen Medikamente bekommen haben. Außerdem sollten sie nur durch Ärzt:innen mit Erfahrung in der Behandlung anaphylaktischer Reaktionen geimpft werden. Um zu beurteilen, ob das geht, muss man allerdings noch die laufenden Ermittlungen zu den Ursachen der Anaphylaxie-Fälle in Großbritannien abwarten.

 

Woher kommt die Allergie?

Was hinter den Reaktionen steckt, lässt sich bisher noch nicht ganz genau sagen.
Der Pfizer/Biontech Impfstoff BNT162b2 hat 10 Inhaltsstoffe. Der wichtigste ist die mRNA, also der Wirkstoff, der im Körper Corona-Proteine in den Spiks entwickelt, gegen die das Immunsystem Antikörper bilden soll. Dazu kommen noch neun andere Substanzen, die den Impfstoff anwendbar und haltbar machen. Keiner dieser neun Stoffe löst häufig Allergien aus.

Der einzige der neun Stoffe, von dem man weiß, dass er überhaupt Allergien auslösen kann, ist Polyethylenglykol (PEG). Allergische Reaktionen auf PEG werden wahrscheinlich zu selten diagnostiziert – PEG gilt deshalb auch als „verstecktes“ Allergen.

Weil ein weiterer chemischer Stoff – Polysorbat 80 – an bestimmten Stellen sehr ähnlich aufgebaut ist wie PEG, kann er Kreuzreaktionen auslösen (Stone 2018). Polysorbat 80 ist nicht Bestandteil des Impfstoffs. Er findet sich als Emulgator zum Beispiel in eingelegten Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmittel, Eiscreme und einigen wichtigen Arzneimitteln (z. B. Biologika).

 

Was tun, wenn ich Asthma habe?

 

Asthmatiker haben, unabhängig davon ob es sich um ein allergisches oder nicht-allergisches Asthma handelt, weder ein erhöhtes Risiko zu einer Corona-Infektion noch nach einer möglichen Infektion ein erhöhtes Risiko zu einem besonders schweren Verlauf.

 

Personen mit Asthma können in gleicher Weise eine Schutzimpfung gegen Corona erhalten wie Nichtasthmatiker.

 

Sie sollten sich, sofern sie in die empfohlene Gruppe gehören, eine Schutzimpfung gegen Grippe geben lassen – und dies unabhängig von einer Corona-Impfung. Die Grippeschutzimpfung hat keinen schützenden Einfluss auf eine Corona-infektion, hemmt aber die Wirkung einer Corona-Impfung auch nicht.

 

Zwischen zwei Impfungen sollte ein Abstand von ca. 7 Tagen (oder mehr) eingehalten werden, um evtl. Nebenwirkungen einer Impfung erkennen zu können.

 

Bei einer Impfung gegen Corona können nach jetzigem Wissensstand alle bisherigen Mittel zur Behandlung von Asthma weiter benutzt werden.

Dazu gehören auch die sog. Biologika, die zur Behandlung von

  • Schwerem Asthma,
  • atopischer Dermatitis
  • chronisch-unspezifischer Urtikaria und bei
  • chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen

eingesetzt werden.

 

Alle Personen, die an einem Asthma leiden, sollten die auch vor der Corona-Zeit benutzten Medikamente weiter benutzen.

 

Hintergrund zu den britischen Anaphylaxie-Fällen
Bei zwei Mitarbeitern des britischen nationalen Gesundheitsdienstes NHS traten nach der Impfung innerhalb von Minuten schwere allergische Reaktionen auf. Sie mussten notfallmäßig behandelt werden. Bei beiden war in der medizinischen Vorgeschichte ein anaphylaktischer Schock bekannt – und sie trugen einen Adrenalin-Autoinjektor bei sich. Beide erholen sich gut, so NHS-Chef Stephen Powis. In den USA kam es bei zwei Arbeitern in Alaska nach der Impfung zu ähnlichen Reaktionen.
Insgesamt sind die Reaktionen selten: In Großbritannien haben in den ersten sieben Tagen immerhin knapp 138.000 Menschen die erste Dosis des Impfstoffs erhalten. Dort wurde der Pfizer/Biontech Corona-Impfstoff als erstes weltweit zugelassen – flächendeckend geimpft wird dort seit dem 15. Dezember 2020.
Inzwischen wird jede/r Geimpfte in Großbritannien im Anschluss an die Impfung 15 Minuten überwacht, um bei eventuellen Reaktionen sofort eingreifen zu können. Außerdem soll ab jetzt jede/r Patient:in vor der Impfung nach Allergien gefragt werden. Patient:inneninformationen weisen ebenfalls auf mögliche allergische Reaktionen hin.

 

 

Quellen

Anaphylaxis Campaign. Pfizer Covid-19 Vaccine and Allergies. Letzter Download am 19.12.2020

 

 

Centers for Disease Control and Prevention. Interim Clinical Considerations for Use of mRNA COVID-19 Vaccines Currently Authorized in the United States. Letzter Download am 19.12.2020
Hier ist eine Übersicht der genauen Inhaltsstoffe des Impfstoffs zu finden.

 

England NHS: Patient Group Direction for COVID-19 mRNA vaccine BNT162b2 (Pfizer/BioNTech) – NATIONAL COVID-19 VACCINATION PROGRAMME. England NHS. 2020. Letzter Download am 04.01.2021

 

 

Katherine J. Wu Here’s What People With Allergies Should Know About Covid Vaccines. Artikel in der New York Times vom 19.12.2020. Letzter Download am 19.12.2020

 

 

Klimek L et al. Schwere allergische Reaktionen nach COVID-19-Impfung mit dem Impfstoff von Pfizer/BioNTech in Großbritannien. Stellungnahme der deutschen allergologischen Gesellschaften AeDA, DGAKI, GPA. Allergo Journal International 2020.

 

 

Stone CA et al. Immediate Hypersensitivity to Polyethylene Glycols and Polysorbates: More Common Than We Have Recognized.
The journal of allergy and clinical immunology In practice. 2019;7(5):1533-40.e8.

 

Polack FP et al. Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine. NEJM 2020;383:2603-15