20. Mai 2020
Essbare Insekten für AllergikerInnen nicht ungefährlich

Insekten als eiweißreiches Nahrungsmittel können Allergien auslösen. Die UN schätzt das Allergierisiko bisher als „eher gering“ ein. Wir haben Hintergründe dazu recherchiert.

Bildnachweis: HOerwin56 / Pixabay

Insekten zu essen ist gesund und schont die Umwelt. Für Menschen mit einer Allergie ist trotzdem Vorsicht geboten.

 

Über 2.000 Insektenarten könnten als Delikatesse auf dem Speiseplan stehen. Obwohl Krabbeltiere auf dem Teller bei vielen Menschen in Deutschland noch eher Ekel statt Genuss auslösen, sehen Forschende in ihnen großes Potential: „Vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen wie Klimawandel und Massentierhaltung müssen wir unsere Ernährung ändern“, sagt beispielsweise der diplomierte Wirtschaftsgeograph und Betriebswirt Daniel Anthes vom Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main (Hombach, Spektrum 2020).

 

Das neue Super Food

Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) nutzen bereits über zwei Milliarden Menschen diese alternative Nahrungsquelle. In Lateinamerika, Teilen Asiens und Afrika gehören die Krabbeltiere oft zu den Grundnahrungsmitteln, in anderen Ländern werden sie als exotische Delikatesse angepriesen.

 

Vieles spricht für Insekten auf dem Speiseplan: Sie sind proteinreich, enthalten gesundheitsfördernde ungesättigte Fettsäuren, Vitamine und Mineralstoffe. Auch ihre Ökobilanz kann sich sehen lassen. So produzieren beispielsweise Schweine pro Kilogramm Körpermasse zehn bis 100 Mal mehr Treibhausgase als die gleiche Menge an Mehlwürmern (FAO, 2019).

 

Doch die die Verbraucherzentrale Hamburg mahnt Standards an: In Deutschland fehlen bisher Vorgaben, wie essbare Insekten gehalten, ernährt oder verarbeitet werden sollen (vhzh, 2019).

 

Europäischer Standard im Aufbau

2015 aktualisierte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ihre „Novel Food“-Verordnung (EU-Verordnung 2015/2283). Danach muss jetzt auch bei essbaren Insekten nachgewiesen werden, dass sie für die Gesundheit unbedenklich sind. Nach einer Übergangsfrist sind die dort festgelegten Standards seit dem 1. Januar 2020 verpflichtend.

 

„Verbraucher profitieren durch das neue Zulassungsverfahren, das eine Sicherheitsbewertung der Insekten-Nahrungsmittel vorschreibt“, sagt Andreas Daxenberger von TÜV SÜD (Krömer, 2019).

 

Der EFSA liegt bereits eine Reihe von Prüfanträgen vor, beispielsweise für die Hausgrille (Acheta domestica), die Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) oder den Mehlwurm (Tenebrio molitor). Bis Jahresmitte könnten die ersten essbaren Insekten mit EU-Zulassung auf den Markt kommen.

 

Bei den meisten Produkten wird wohl ein Warnhinweis für AllergikerInnen stehen.

 

Proteine mit Allergiepotential

„Insekten, die neu als Lebensmittel zugelassen sind, enthalten ähnliche Proteine wie Weich- oder Krustentiere. Deshalb kann es auch bei deren Verzehr zu allergischen Reaktionen kommen“, erklärt Sereina de Zardo vom aha! Allergiezentrum Schweiz in Bern (Kündig, 2017).

 

So scheinen Proteine von Mehlwürmern ähnlich aufgebaut zu sein wie bei Krabben, Shrimps oder Garnelen (Broekman, 2016). „Menschen mit einer Shrimps-Allergie sollten über diese potentielle Gefahr aufgeklärt werden“, sagt Henrike Broekman von der Universität Utrecht in den Niederlanden.

 

Wie häufig Insekten allergische Reaktionen auslösen, ist noch nicht bekannt. Eine aktuelle Studie aus Thailand geht davon aus, dass fast 13 von 100 Menschen auf den Verzehr von Insekten allergisch reagieren. Vor allem bei bekanntem Asthma, Heuschnupfen oder allergischen Hautauschlägen (Urtikaria) könnten essbare Insekten allergische Reaktionen auslösen (Chomchai, 2020). Repräsentativ sind diese Ergebnisse jedoch nicht, denn an der Online-Befragung der Mahidol Universität in Bangkok nahmen lediglich 140 Personen teil. Daher fordern auch Summon Chomchai und sein Team Studien mit mehr Teilnehmenden, bei denen der Allergie-Verdacht durch Untersuchungen überprüft wird.

 

Bisher schätzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen das Allergie-Risiko beim Verzehr von Insekten als „eher gering“ ein.

 

Text: ch/ktg

 

 

Quellen

Broekman H et al. Majority of shrimp-allergic patients are allergic to mealworm. J Allergy Clin Immunol. 2016;137(4):1261-3.

 

EU-Verordnung 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel. Amtsblatt der Europäischen Union, 11.12.2015.

 

FAO. Edible Insects: A solution for food and feed security? Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), fao.org, letzte Aktualisierung: 09.05.2019.

 

Hombach SM. Insekten-Food: Sechs Beine für einen Öko-Burger. Spektrum.de, 21.02.2020.

 

Kündig C. Mehlwürmer und Co. – Allergie-Experten warnen vor Krabbelfood. Watson, Schweizer Online-Nachrichtenportal, Nachricht vom 24.06.2017.

 

Krömer S. TÜV SÜD erklärt: Insekten als neuartige Lebensmittel. Pressemitteilung TÜV Süd, März 2019.

 

VHZH. Insekten essen? Verbraucherzentrale Hamburg, Stand: 13.06.2019.