11. April 2016
Partnerschaft und Lebensmittelallergie

Verändert sich das Beziehungsleben? Muss der Partner auch verzichten?

Für das Thema Partnerschaft und Lebensmittelallergie gibt es kein Grund- oder Geheimrezept. Wir Menschen sind alle so unterschiedlich. Manche Menschen kommen sehr gut mit Veränderungen zurecht und andere halten an Bewährtem und Geliebtem fest, gehen ungern neue Pfade. Es gibt Situationen, da sind Veränderungen zwingend nötig, vor allem wenn sie die Gesundheit betreffen.

Eine neue Lebenssituation braucht Geduld

Manche Paare gehen die neuen Umstände von Beginn an zusammen an. Bei anderen Paaren muss der/die Betroffene erst einmal selbst mit der neuen Situation klar kommen und braucht Zeit und möglicherweise auch Unterstützung darin. Wiederum bei anderen Paaren braucht der nicht betroffene Partner seine Zeit, um die veränderten Umstände anzunehmen. Jede Art des Umgangs und des Annehmens der neuen Situation ist gut so lange der Prozess stattfindet. Unser Partner ist ja kein anderer Mensch geworden nur weil Lebensmittelallergien auftreten. Sicher ist es oft nicht ganz einfach die nötige Geduld aufzubringen. Es ist auch recht normal dass nach der erfolgten ärztlichen Diagnose erst einmal Überforderung mit der neuen Situation eintritt.

Zeit, Geduld, sich informieren, die gegenseitige Achtsamkeit, Wertschätzung und Gespräche sind Kriterien, die beiden Partnern helfen können, sich in der neuen Situation zurechtzufinden. Auch ein zeitweiliger Rückzug eines Partners kann sich positiv auf die Partnerschaft auswirken. Wie schon oben beschrieben: Wir sind einfach alle anders „gestrickt“. Uns fällt es unterschiedlich leicht oder schwer zu verinnerlichen, dass sich unser Leben ab dem Tag der diagnostizierten Lebensmittelallergie auf Dauer verändert. Meist wird uns erst dann bewusst, wie gerne wir das/die Lebensmittel genossen haben, die ab sofort gestrichen sind. Auch das ist völlig normal.

Gedanken wie „Wie soll ich denn jetzt jemals wieder unseren Kennenlern-Kuchen backen wenn ich kein Hühnerei mehr essen darf“ und ähnliche Gedanken sind normal. Sie können sogar Angstzustände, die Beziehung betreffend, hervorrufen. Auch das ist nicht ungewöhnlich oder abnormal. Jede Beziehung hat Rituale und Traditionen, die dann ins Wanken geraten. Wir können uns in die Lage versetzen, unser Leben, Partnerschaft und Geschehnisse als etwas zu betrachten, dass kein festes Konstrukt ist, sondern sich verändert und entwickelt. Mit dieser Sichtweise fällt es uns leichter, zum Beispiel das Rezept des Kennenlern-Kuchens anzupassen, ohne Hühnereier verträglich zu backen. Das Ritual bleibt das Gleiche. Diese Sichtweise kann sehr viel in der neuen Lebenssituation erleichtern.

Scheinen die Probleme in der Partnerschaft erst einmal zu groß und unlösbar? Das kommt auch vor, vor allem wenn die Überforderung mit der Thematik sehr hoch ist. Ich persönlich finde professionelle Hilfe von einem Paartherapeuten anzunehmen einen sehr guten Weg. Oft helfen schon ein bis zwei Sitzungen und die Welt wird wieder lebenswert.

Müssen beide Partner „verzichten“?

Ein „Müssen“ kommt in seltenen Fällen vor. Wird eine Lebensmittelallergie in einem lebensbedrohlichen Stärkegrad diagnostiziert, kann es sein, dass ein Haushalt allergenfrei sein muss, damit der / die Betroffene nicht in Gefahr gerät und eine sichere Zone hat. Das betrifft dann auch den Partner und gegebenenfalls Kinder oder weitere Familienmitglieder. Ein Beispiel für eine solche Situation ist eine schwere Erdnussallergie, bei der bereits das Aufreißen einer Tüte Erdnussflips in Anwesenheit des Betroffenen über die Atmung eine anaphylaktischen Reaktion auslöst. Hier ist Verzicht für beide / alle Mitbewohner angesagt. Hat der nicht-betroffene Partner gerade ein Lebensmittel verzehrt, das beim anderen Partner anaphylaktische Schocks auslöst, ist es auch ratsam, sich erst einmal nicht zu küssen.

In anderen Fällen muss der Partner oder die Partnerin – unter bestimmten Bedingungen – nicht unbedingt verzichten. Bei einer weniger schweren Allergie kann ein ausgeklügeltes Aufbewahrungssystem und konsequent getrenntes Küchenequipment ausreichen, um Kontamination bzw. allergische Reaktionen zu vermeiden. Um zu wissen, welche Maßnahme die richtige ist, ist es wichtig, sein eigenes Allergierisiko gut zu kennen.

Ob der Partner aus Solidarität verzichten „sollte“ oder „möchte“ ist eine Frage, auf die es so viele Antworten wie Beziehungen gibt (von den schweren Fällen einmal abgesehen). Ich kenne nicht wenige Beziehungen, in denen der Partner freiwillig verzichtet. Das kommt aber immer auf die Partnerschaft an und welche Faktoren Essen, Genuss und gemeinsames Erleben in der Partnerschaft für eine Rolle spielen.

8. April 2017, Autor: Stefanie Grauer-Stojanovic