16. Juni 2020
UPDATE: Neuer Wirkstoff gegen chronische Nesselsucht

Jahreskongress 2020 der EAACI: Ein neues Medikament gegen chronische spontane Urtikaria lindert Beschwerden wie Quaddeln und juckende Schwellungen von Haut und Schleimhaut deutlich häufiger als Mittel, die bisher auf dem Markt sind.

Hautausschlag bei chronischer Urtikaria

Dieses Ergebnis hatte das Team um den Charité-Allergologen und ECARF-Experten Marcus Maurer im Oktober 2019 veröffentlicht. Der neue Wirkstoff heißt Ligelizumab.

 

Beim Jahreskongress der European Academy of Allergy and Clinical Immunology, EAACI, präsentierte Maurer im Juni 2020 weitere Studienergebnisse: Nach 52 Wochen Behandlung mit Ligelizumab hatten sogar 57% der PatientInnen keinerlei Symptome mehr. Die PatientInnen erhielten das Medikament in einer Dosis von 240mg.

 

Ligelizumab ist ein so genannter monoklonaler Antikörper, der an Immunglobulin E (IgE) bindet. IgE ist mitverantwortlich für die Beschwerden bei Patienten mit chronischer Urtikaria.

 

Das Medikament

 

Ein Vorläufermedikament, der Antikörper Omalizumab, ist bereits zugelassen. Leitlinien empfehlen ihn anzuwenden, wenn hochdosierte Antihistaminika die Symptome nicht unter Kontrolle bekommen.

 

Ligelizumab wirkt auch bei Patienten mit chronischer Nesselsucht, die nicht auf Omalizumab ansprechen, so Maurer.

 

Eine mögliche Erklärung für die bessere Wirkung von Ligelizumab lieferte Maurer auch: Ligelizumab bindet 88-fach stärker an IgE als Omalizumab. Die Bindung hält länger an, so dass auch die Wirkdauer der neuen Substanz länger ist.

 

Die Studie

In der Kernstudie hatten 382 PatientInnen entweder

  • Ligelizumab unter die Haut gespritzt bekommen oder
  • das bereits für die Behandlung der Urtikaria erhältliche Omalizumab oder aber
  • ein Plazebo, also ein Präparat ohne Wirkstoff.

Das Team untersuchte außerdem unterschiedliche Ligelizumab-Dosierungen sowie die Einmal- und Mehrfachgabe.

 

Die ÄrztInnen kontrollierten jede Woche die Beschwerden der StudienteilnehmerInnen: Hautausschlag (juckende Quaddeln) und Angioödeme, also Schwellungen von Haut und Schleimhaut. Treten diese Symptome einer Nesselsucht über mehr als sechs Wochen ohne klaren Auslöser immer wieder auf spricht man von der chronischen spontanen Urtikaria (CSU).

 

Bei mehr als der Hälfte der PatientInnen, die Ligelizumab in einer Dosis von 72mg bekommen hatten, verschwand der Hautausschlag komplett; eine höhere Dosierung führte zu keinem besseren Ergebnis. Mit Omalizumab war nur jede/r Vierte beschwerdefrei. Die Gabe von Plazebo veränderte die Symptome überhaupt nicht. „Dies ist eine ausgesprochen wichtige Studie, weil sie zeigt, dass Ligelizumab bei der Behandlung von Patienten mit chronischer Urtikaria wirksamer ist als Omalizumab, das einzige bisher zugelassene Medikament für diese Erkrankung außer Antihistaminika,“ so Marcus Maurer.

 

Der Ist-Stand

Im Moment bereitet das Forschungsteam die letzte Stufe vor, die ein Medikament erfolgreich durchlaufen muss, bevor es zugelassen werden kann. Die beiden jetzt folgenden, so genannten Phase-III-Studien untersuchen jeweils mehr als 1000 PatientInnen aus vielen verschiedenen Klinken. Die Studien sind nach der Pandemie-Unterbrechung im Frühjahr 2020 jetzt wieder angelaufen. Für eine dritte Phase-III-Studie werden derzeit PatientInnen rekrutiert.

 

Quellen

Gasser P et al. The mechanistic and functional profile of the therapeutic anti-IgE antibody ligelizumab differs from omalizumab. Nat Commun. 2020;11(1):165.

 

Maurer M et al. Ligelizumab for chronic spontaneous urticaria. New England Journal of Medicine Oct 2019. doi: 10.1056/NEJMoa1900408

 

Maurer M et al. Ligelizumab (anti-IdE) in chronic spontaneous urticarial. Vortrag beim Digitalen Jahreskongress der European Academy of Allergy and Clinical Immunology, EAACI, am 6. Juni 2020.