6. Mai 2020
Allergien in Zeiten von Corona

Sollen Allergiker*innen ihre Medikamente in Corona-Zeiten weiter nehmen? Ja! Das ist aber nicht die einzige wichtige Info. Wir haben die wichtigsten Meldungen der Fachgesellschaften aus den letzten Wochen zusammengefasst.

Bild von Tumisu auf Pixabay

Fachgesellschaften raten Allergie-Medikamente während der Coronavirus-Pandemie weiter zu nehmen. Diese Empfehlungen gelten genauso für Kinder mit allergischen Erkrankungen. Eine Hyposensibilisierung sollte fortgeführt, aber nicht begonnen werden. 

 

Das neue Virus SARS-CoV-2 hat sich weltweit ausgebreitet, auch in Deutschland. Die von den Viren verursachte Erkrankung wird CoViD-19 genannt.

 

Wie CoViD-19 verläuft, dazu nennt die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in ihrem aktuellen Positionspapier folgende Zahlen (Pfeifer, 2020):

 

  • 80% der Erkrankungen verlaufen ganz ohne oder mit nur leichten Symptomen,
  • 20% der Erkrankten müssen im Krankenhaus überwacht und behandelt werden und
  • 5% brauchen eine intensivmedizinische Betreuung.

Informationen zu Menschen mit Allergien finden sich in dem Positionspapier nicht. Doch wir haben bei der Online-Pressekonferenz der DGP nachgefragt.

 

Kortisonhaltige Sprays und Inhalatoren

Viele Menschen mit Asthma, die ein Kortison-Spray verwenden, sind verunsichert, ob sie das Spray weiter benutzen sollen. Sie haben Sorge, dass damit ihr Risiko an CoViD-19 zu erkranken steigen könnte. Ist diese Sorge berechtigt?

 

Die Antwort von Torsten Bauer, Chefarzt an der Berliner Lungenklinik Heckeshorn und stellvertretender DGP-Präsident, ist klar: „Nehmen Sie ihre Medikamente weiter ein.“ Die Kortisonkonzentration in einem Aerosol oder Spray ist gering und erhöht nicht das Risiko an CoViD-19 zu erkranken, so Bauer.

 

Er erklärt auch, woher die Angst vor dem Kortison kommt: In der SARS-Pandemie 2002/2003 wurden Erkrankte versuchsweise mit einer hohen Kortisondosis behandelt. Das hat aber nicht geholfen, sondern vielleicht sogar geschadet. Diese Erfahrung wird jetzt fälschlicherweise mit der Kortisonbehandlung bei Asthma gleichgesetzt.

 

Bauers Einschätzung teilt auch die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI). Die DGAKI-Präsidentin Margitta Worm vom Allergie-Centrum-Charité erklärt noch einen weiteren wichtigen Schritt (Jossé 2020): „Inhalative Steroide wie Kortison unterdrücken nicht das Immunsystem – vielmehr mildern sie die Entzündungsreaktionen in den Schleimhäuten.“ Somit kann der Körper das Virus weiterhin gut abwehren und die starke Entzündungsreaktion bei Asthma wird dennoch gemildert.

 

Monoklonale Antikörper (Biologika)

Biologika wie Omalizumab, Reslizumab oder Dupilumab kommen bei allergischen Erkrankungen ebenfalls zum Einsatz. Beide Fachgesellschaften, DGP und DGAKI, empfehlen auch diese Medikamente weiter zu nehmen.

 

Wichtig ist, dass eine Allergie gut behandelt wird. Ein Absetzen von Biologika könne zu einer Verschlechterung der Allergiesymptome führen. Das wiederum hätte einen negativen Einfluss auf den Verlauf einer CoViD-19 Erkrankung, so die DGAKI in ihrer Stellungnahme vom 23. März 2020. Die Fachgesellschaft räumt aber auch ein, dass es bisher keine Studien dazu gibt, ob Biologika das Risiko an CoViD-19 zu erkranken beeinflussen oder den Verlauf von CoViD-19 verändern.

 

Hyposensibilisierung

Eine spezifische Immuntherapie (SIT), auch Hyposensibilisierung genannt, sollte dann weitergeführt werden, wenn sie bereits begonnen wurde. „Das betrifft auch die Insektenstichallergiker“, sagt Worm.

 

Anders sieht es bei einer geplanten, aber noch nicht begonnenen Behandlung aus.  Auf sie sollte man im Moment noch verzichten. Der Hintergrund: Die SIT muss anfangs wöchentlich in einer Praxis durchgeführt werden. Dort ist die Ansteckungsgefahr deutlich höher als im häuslichen Umfeld. Kanadische WissenschaftlerInnen empfehlen daher den Beginn einer SIT einige Wochen bis Monate zu verschieben (Shaker, 2020).

 

Beschwerden einer Pollenallergie erkennen

Zurzeit haben es insbesondere Menschen mit einer Allergie auf Birkenpollen schwer. Die Augen jucken, die Nase läuft und manchen fällt das Atmen schwer. Hat man diese Beschwerden bisher immer seiner Allergie zugeschrieben, wächst nun die Angst, ob es nicht doch vielleicht das neue Virus ist.

 

Atemnot kann sowohl bei einer Pollenallergie als auch einer Infektion mit dem Coronavirus auftreten, bestätigt Torsten Bauer. Die Unterscheidung sei manchmal schwierig. Doch weitere Merkmale helfen die richtige Diagnose zu stellen: „Fieber finden Sie bei CoViD-19, aber nicht bei einer Pollenallergie“. Zudem führt das Virus zu typischen Veränderungen in der Lunge, die auf Röntgenbildern oder mit der Computertomographie zu sehen sind.

 

Juckreiz an den Augen und anfallsartige Niesattacken sind ebenfalls typische Symptome einer Allergie, erklärt Margitta Worm. Treten diese Symptome ohne Fieber auf, empfiehlt die DGKI eine antiallergische Behandlung. Denn auch bei einer Corona-Infektion ist die antiallergische Behandlung sinnvoll. „Ein wegen Allergie niesender und schniefender CoViD-19 Patient wäre ja noch gefährlicher für die Umwelt“, so Worm.

 

Kinder mit allergischen Erkrankungen

SARS-CoV-2 führt bei Kindern deutlich seltener zu einer Erkrankung mit Symptomen, obwohl auch sie sich infizieren. Daher können sie das Virus unbemerkt an andere Menschen weitergeben. Dieses Wissen hat dazu geführt, dass in vielen Ländern Kindergärten und Schulen geschlossen wurden.

 

Speziell zu CoViD-19 und Kindern mit allergischen Erkrankungen hat die Gesellschaft Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) Mitte April eine Stellungnahme herausgegeben (GPA, 2020).

 

Die GPA bestätigt darin, was die anderen Fachgesellschaften für Erwachsene empfehlen. Folgende Behandlungen sollten fortgesetzt werden:

 

  • Dauerbehandlung mit lokal angewendeten Kortisonpräparaten bei allergischem Schnupfen (Bousquet, 2020)
  • Behandlung des Asthma bronchiale mit inhalativen Kortisonpräparaten
  • Behandlung mit Biologika bei stabil eingestellten allergischen Atemwegserkrankungen
  • bereits begonnene SIT zur Behandlung von Pollen- oder Milbenallergien bei klinisch gesunden Kindern

 

Geplante Lungenfunktionstest und nasale Provokationstests sollten, wenn möglich, auf die Zeit nach der Coronavirus-Pandemie verschoben werden.

 

Autorin: ch/ktg
Datum: 20.04.2020

 

 

Quellen

 

Bousquet J et al. Intranasal corticosteroids in allergic rhinitis in COVID-19 infected patients: An ARIA-EAACI statement. Allergy. 2020; Mar 31.

 

GPA. COVID-19 bei Kindern mit allergischen Erkrankungen. Stellungnahme der Gesellschaft Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), April 2020.

 

DGAKI. Biologikatherapie und COVID-19. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) vom 23.03.2020.

 

Jossé S. Fragen zum Coronavirus: Sind Allergiker gefährdet? Aktuelles Interview mit DGAKI-Präsidentin Prof. Dr. med. Margitta Worm. DGAKI-Interview, 26.03.2020.

 

Pfeifer M et al. Positionspapier zur praktischen Umsetzung der apparativen Differenzialtherapie der akuten respiratorischen Insuffizienz bei COVID-19. Online seit 17.April 2020.

 

Shaker MS et al. COVID-19: Pandemic Contingency Planning for the Allergy and Immunology Clinic. J Allergy Clin Immunol Pract. 2020.