28. September 2018
Der Streit ums Feuchttuch

Was haben Babytücher mit Nahrungsmittelallergien zu tun? Erst einmal wenig. Trotzdem gab es im Frühjahr 2018 Schlagzeilen wie „Baby-Feuchttücher verursachen Nahrungsmittelallergien“. Bewiesen ist der Zusammenhang keineswegs. Doch es gibt Gründe bedacht umzugehen mit dem Feuchttuch auf Babys Haut.

Sie sind in fast jeder Babytasche: schnell griffbereit, sie lassen sich nach dem Benutzen wegwerfen und sind einfach super-praktisch. Die Rede ist von abgepackten Babytüchern. Oft steht „parfümfrei“ oder „sensitiv“ auf den Verpackungen. Die Tücher sind dann zwar ohne Parfüm, Konservierungsstoffe enthalten sie dennoch. Aber ist das schlecht für’s Kind?

Wasser ist nicht automatisch besser

Die Britin Alison Cooke hat über 3.000 Studien zusammengetragen, um herauszufinden, welche Hautpflege Babys im Alter von bis zu sechs Monaten zumindest nicht schadet.
Cooke ist Gesundheitswissenschaftlerin in Manchester. Sie hat lange Zeit als Hebamme praktiziert und bildet jetzt junge Hebammen aus.
Was Hebammen den frischgebackenen Eltern hinsichtlich der Hautpflege raten, steht wissenschaftlich auf wackligen Beinen, meint Cooke. Nur knapp 30 der 3.000 Studien waren methodisch gut genug für die Gesamtauswertung. „Es könnte sein, dass die Hautpflege-Ratschläge des medizinischen Fachpersonals dazu beitragen, dass Neurodermitis bei Kindern in Großbritannien zunimmt“, schreibt die Wissenschaftlerin.

Im Vergleich zwischen dem „altmodischen“ Waschlappen mit Wasser und Babytüchern schnitten spezielle Babyprodukte nämlich genauso gut ab wie das Waschen mit purem Wasser. Für die Baby-Hautpflege mit Wasser und milder Seife fanden die WissenschaftlerInnen keine Vorteile – obwohl das britische nationale Gesundheitsinstitut (NICE) diese Kombination empfiehlt. „Diese Empfehlung sollte man ändern“, so Cooke.

Was darf an die Babyhaut?

Dass bei der Hautpflege ihrer Babys weniger mehr ist, wissen die meisten Eltern sowieso. Baden ist besser als Waschen – auch das haben HautärztInnen der Berliner Charité schon vor rund zehn Jahren mit Daten  untermauert.

Trotzdem: Die Badewanne ist nun einmal nicht immer da, wenn man sie braucht.

Unter welchen Umständen bestimmte waschaktive Substanzen Probleme machen könnten – dazu hat ein Team um die US-Allergologin Joan Cook-Mills kürzlich Hinweise gefunden. Wenn die Babyhaut bestimmte erbliche Veränderungen aufweist und mit  bestimmten waschaktiven Substanzen in Berührung kommt sowie zusätzlich Hausstaub und Nahrungsmittelallergene auf die Haut gelangen, dann entwickeln Kinder eher Nahrungsmittelallergien und Neurodermitis.

Als waschaktive Substanz haben die WissenschaftlerInnen nur Natriumdodecylsulfat (SDS) getestet. Der Stoff kommt beispielsweise in Reinigungsmitteln und Zahnpasta vor, dagegen wird er in Kosmetika kaum noch verwendet. Er stört die schützende Hautbarriere. Diese Hautbarriere ist wie eine Steinmauer aufgebaut: Hornzellen sind die „Bausteine“, der Mörtel dazwischen besteht aus vielen verschiedenen Fetten und Eiweißen, die die Mauer abdichten. Bestimmte Eiweiße und Fettsäuren schützen zusätzlich vor Krankheitserregern. SDS zerstört diese Eiweiße. 

Babytücher verursachen keine Nahrungsmittelallergie

Auch dass Babytücher Nahrungsmittelallergien verursachen, wie in einigen Schlagzeilen vermutet, stimmt so nicht. „Ich hatte gehofft, dass niemand diesen Schluss zieht“, sagt auch die Studienleiterin Joan Cook-Mills.

Eine andere Erkenntnis lässt sich allerdings doch ziehen:

Wird

  1. bei Kindern mit erblicher Vorbelastung der Haut
  2. die Hautbarriere durch bestimmte waschaktive Substanzen geschwächt, und
  3. kommen sie dann mit Umweltallergenen wie Hausstaub und
  4. mit Nahrungsmittelallergenen in Kontakt,

dann kann dies zu Nahrungsmittelallergien führen. Und das, selbst wenn sie das Nahrungsmittel noch nie gegessen haben. Es müssen also mehrere Faktoren zusammen kommen.

Ob und welche weitern waschaktiven Substanzen außer SDS in Frage kommen, ist bislang allerdings noch nicht in Studien überprüft.

Babytücher weglassen?

Die Studien liefern keinen Beweis dafür, dass es sinnvoll ist, Babytücher wegzulassen. Auch Joan Cook-Mills zieht in einem Kommentar zu ihrer Studie andere praktische Konsequenzen: „Waschen Sie ihre Hände, bevor sie das Baby anfassen, denn dadurch kommt es weniger mit Nahrungsmittelallergenen in Kontakt. Nehmen Sie nicht zu viel Babytücher, deren waschaktive Substanzen dann auf der Haut bleiben und waschen Sie diese Substanzen mit klarem Wasser ab – ganz wie früher“.

Quellen

Cooke A et al. Skin care for healthy babies at term: A systematic review of the evidence. Midwifery. 2018;56:29-43.

Flohr C, Mann J. New insights into the epidemiology of childhood atopic dermatitis. Allergy. 2014;69:3–16.

Garcia Bartels N et al. Influence of bathing or washing on skin barrier function in newborns during the first four weeks of life. Skin Pharmacol Physiol. 2009;22(5):248-57.

Walker MT et al. Mechanism for initiation of food allergy: Dependence on skin barrier mutations and environmental allergen costimulation. Allergy Clin Immunol. 2018;141(5):1711-25. Bei dieser Studie war die im Text genannte Joan Cook-Mills Letztautorin, also die Ideengeberin der Studie. Wer die Experiemente maßgeblich durchgeführt hat steht meist am Anfang und wird in den Quellen zuerst genannt, in diesem Fall Cook-Mills Mitarbeiter Matthew Walker.