22. Mai 2019
Hilft die orale Immuntherapie bei einer Allergie gegen Erdnüsse?

Eine Meta-Analyse deckt auf: Eine auf den ersten Blick erfolgreiche Immuntherapie gegen Erdnussallergie löst im Alltag mehr schwere allergische Reaktionen aus als bei Nichtbehandelten.

Bei der oralen Immuntherapie (OIT) nehmen AllergikerInnen das auslösende Allergen in ansteigender Dosierung zu sich. Mit dieser – auch Hyper- oder Desensibilisierung genannten – Behandlung soll der Körper lernen, dass keine Gefahr von dem Allergen ausgeht. Ist die OIT erfolgreich, treten weniger oder gar keine allergischen Reaktionen mehr auf.

 

Ob die orale Immuntherapie auch bei einer Erdnussallergie hilft, ist umstritten. „Es wurden viele Studien zur oralen Immuntherapie mit Erdnüssen veröffentlicht“, sagt Derek Chu von der McMaster Universität im kanadischen Hamilton. Chu analysierte mit seinem Team die Ergebnisse von 12 Studien mit insgesamt über 1.000 TeilnehmerInnen (Lancet 2019).

Die Ergebnisse zu Erfolg und Sicherheit der OIT seien widersprüchlich, so der Wissenschaftler.

 

OIT-Erfolg erst im Alltag beurteilbar

Letzten Monat berichteten wir von einer Studie (PALISADE Group of Clinical Investigators, NEJM 2018), bei der eine OIT die Erdnussallergie von Kindern und Jugendlichen deutlich verbesserte. Die Untersuchten konnten wieder bis zu zwei Erdnüssen essen, ohne dass nennenswerte allergische Reaktionen auftraten.

 

Solche positiven Ergebnisse verwundern Chu nicht. Auch bei seiner Analyse schneiden die OIT-Behandelten im Provokationstest unter ärztlicher Aufsicht besser ab als die Vergleichsgruppen, die entweder nichts oder ein Placebo bekommen hatten. Hieraus jedoch Rückschlüsse auf den Erfolg unter Alltagsbedingungen zu ziehen, sei falsch, sagt Chu. Die Reaktion auf eine Erdnuss lasse sich mit einem klinischen Test nicht ausreichend überprüfen. „Der Schutz, den eine Immuntherapie aufbaut, kann sich von Tag zu Tag ändern“, erklärt der Forscher. Einflussgrößen seien beispielsweise körperliche Bewegung, eine heiße Dusche oder ein leerer Magen. „Das alles beeinflusst die Reaktion des Körpers auf die Nahrung, gegen die desensibilisiert wurde.“

 

Wenn Vielfalt zum Problem wird

„Für Lebensmittelallergien haben wir zurzeit noch keine anerkannte Behandlung – das gilt auch für die Erdnussallergie“, erklärte Alkis Togias vom US-amerikanischen Institut für Allergie und Infektionserkrankungen dem CNN Reporter Michael Nedelman.

Das spiegelt sich bei den oralen Immuntherapien wider. Es werden nicht nur unterschiedliche Allergene und Dosierungen eingesetzt, auch die Dauer der Behandlung ist uneinheitlich. Sie reicht von Wochen über Monate bis hin zu mehreren Jahren. Zusätzlich eingenommene Medikamente, um allergische Reaktionen zu vermeiden, beeinflussen das Ergebnis ebenfalls.

 

Trotz dieser Unterschiede gab es bei den Auswertungen von Chu ein klares Ergebnis: Nach oraler Immuntherapie war das Risiko eine akute allergische Reaktion (Anaphylaxie) zu entwickeln dreimal höher als nach der Behandlung mit einem Scheinmedikament (Placebo) oder ganz ohne Therapie. Dieser Anstieg betraf alle OIT-Regime, egal welches Allergen wie lange und in welcher Dosierung eingesetzt wurde.

 

So ernüchternd die Ergebnisse auch sind, sie bedeuten nicht das Aus für die OIT bei einer Erdnussallergie. „Wir stehen erst am Anfang dieser neuen Behandlungsform“, sagt Chu. Der Weg zu einer erfolgreichen und sicheren Therapie ist lang. Daher bedarf es weiterer Studien, um den Erfolg der OIT richtig zu beurteilen. Diese müssen beispielsweise herausfinden, ob bestimmte Personen mehr von einer Behandlung profitieren als andere und wenn ja, warum dies so ist.

 

Gut gerüstet im Alltag

 

Solange eine Erkrankung nicht heilbar ist, sollten Betroffene lernen damit so gut wie möglich zu leben. Das gilt auch für Menschen mit Erdnussallergie. Ein Eckpfeiler beim Leben mit einer Nahrungsmittelallergie ist zu wissen, welche Lebensmittel gefährlich werden können, wie sich eine allergische Reaktion bemerkbar macht und was im Notfall zu tun ist.

Quellen

Chu DK et al. Oral immunotherapy for peanut allergy (PACE): a systematic review and meta-analysis of efficacy and safety. Lancet. 2019 Apr 25. Pii:S0140-6736(19)30420-9.

 

PALISADE Group of Clinical Investigators. AR101 Oral Immunotherapy for Peanut Allergy. N Engl J Med. 2018;379(21):1991-2001.

 

Nedelman N. Experimental treatment for peanut allergy increases anaphylaxis risk, study finds. CNN, 25.04.2019