24. Juni 2020
Schützt Eincremen ab der Geburt vor Neurodermitis?

Sollte man versuchen, ein Kind von Geburt an mit Cremes gegen Neurodermitis zu schützen? Kommt darauf an, so die Expertinnenmeinung beim größten Allergiekongress Europas, dem EAACI 2020.

Kann man Neurodermitis bei Kindern durch Cremes vorbeugen? Aktuelle Studien untersuchen, welche Inhaltsstoffe helfen.

Helen Brough, Kinderallergologin und Professorin am King’s College in London, gibt diesen Rat:

  • Haben Säuglinge oder Kleinkinder normale Haut, brauchen sie keine Feuchtigkeitscremes oder -lotions, um einem Ekzem vorzubeugen.
  • Haben die Kinder allerdings trockene Haut oder Hautausschläge (Ekzeme), dann sollte man die Pflegemittel einsetzen. Das schützt nicht nur vor Neurodermitis, sondern senkt auch die Wahrscheinlichkeit, später Nahrungsmittelallergien zu bekommen. Achtung: Wer die Kinder eincremt, sollte unbedingt vorher seine Hände waschen und die Creme nicht mit den Fingern aus der Cremedose holen, sondern dazu einen sauberen Cremespatel oder -löffel verwenden.

 

Welche Inhaltsstoffe sollten in der Creme sein – und welche nicht?

Nicht jede Creme eignet sich gleich gut. WissenschaftlerInnen haben in den letzten Jahren ausgiebig untersucht und diskutiert, welche Bestandteile sich am besten eignen.

 

Die gerade in Australien laufende Studie PEBBLES untersucht eine so genannte Trilipid-Creme. Sie enthält die Lipide Ceramid, Cholesterin und Fettsäuren (im Verhältnis 3:1:1). Diese Dreifach-Lipidmischung spiegelt den normalen Fettgehalt in der Haut wider und hilft so, eine normale Hautbarriere aufrecht zu erhalten (Lowe 2019).
Die erste kleine PEBBLES-Studie spricht für die Creme (Lowe 2018):

  • Neurodermitis trat bei 16% der 36 Kinder auf, die keine Creme bekamen.
  • Dagegen trat Neurodermitis nur bei 5% der 34 Kinder auf, die die Creme bekamen.

Außerdem waren Nahrungsmittelallergien bei Kindern mit Creme im ersten Lebensjahr seltener.

Diese Ergebnisse werden im Moment in einer größeren PEBBLES-Studie mit 760 Kindern überprüft.

 

Die ersten Studien, die sich um Cremes, Neurodermitisvorbeugung und Nahrungsmittelallergien bei Kindern drehten, stammen aus dem Jahr 2014. Sie untersuchten Cremes auf Vaseline-Basis. Die Cremes wurde in den ersten Lebenswochen von den Eltern regelmäßig aufgetragen. Neurodermitis schien danach seltener aufzutreten.

Allerdings: Größere und statistisch bessere Studien haben inzwischen gezeigt, dass die tägliche Pflege mit Vaseline-Cremes nicht vor Neurodermitis schützt (Chalmers 2020).  Brough wies besonders auf die Besiedlung der Haut mit dem Keim Staphylococcus aureus hin: Er kann auch das Risiko für Nahrungsmittelallergien erhöhen.

 

Auch Pflegeprodukte auf Basis des wachsartigen Inhaltsstoffs Paraffin wenden die Neurodermitis nicht ab: Das ist das Ergebnis der 2020 veröffentlichten Studie PreventADALL (Skjerven 2020). Hier hatten die Eltern ihre Säuglinge ab der 2. Lebenswoche mit paraffinhaltiger Gesichtscreme eingerieben und sie regelmäßig mit paraffinhaltigem Öl als Zusatz gebadet.

 

Sollte man bei Kindern Cremes einsetzen, die Harnstoff (Urea) enthalten?

Harnstoff kann bei Säuglingen unter anderem die Nierenfunktion stören.  Bei ihnen sollte man also keine Urea-haltigen Cremes verwenden, empfiehlt Brough. Bei Kleinkindern sollte eine niedrigere Urea-Konzentration als bei Erwachsenen gewählt werden. Der Inhaltsstoff Glyzerin wird besser vertragen, so Brough.

 

Quellen

Brough H.

Targeting the skin immune response for disease prevention and control – Skin care from birth for allergy prevention: results today. Vortrag beim EAACI 2020 am Freitag, dem 8. Juni 2020.

 

Chalmers JR et al. Daily emollient during infancy for prevention of eczema: the BEEP randomised controlled trial. Lancet 2020;395:962–72

 

 

Lowe AJ et al. A Randomized Trial of a Barrier Lipid Replacement Strategy for the Prevention of Atopic Dermatitis and Allergic Sensitization: The PEBBLES Pilot Study. Br J Dermatol 2018;178(1):e19-e21

 

 

Lowe AJ et al.  PEBBLES study protocol: a randomised controlled trial to prevent atopic dermatitis, food allergy and sensitisation in infants with a family history of allergic disease using a skin barrier improvement strategy. BMJ Open 2019;9:e024594

 

 

Martin PR et al. Which Infants With Eczema Are at Risk of Food Allergy? Results From a Population-Based Cohort. Clin Exp Allergy 2015;45(1):255-64

 

 

Skjerven HO et al. Skin Emollient and Early Complementary Feeding to Prevent Infant Atopic Dermatitis (PreventADALL): A Factorial, Multicentre, Cluster-Randomised Trial

Lancet 2020;395(10228):951-61.